Urbanisten am Zug: Die Melange der Großstadt

In einem „Real Labor“ haben sich Anlieger und ExpertInnen Gedanken über die Bahnhofsvorstadt im Jahr 2027 gemacht: Der Bausenator präsentiert sie

Schöne Zukunft: Die Computersimulation hat üble Gerüche und illegalen Handel beseitigt Foto: SUBVE

BREMEN taz | Die Ideen, die Anwohner und Vertreter der Behörden, Lokalpolitik, Immobilienbranche und Architektenkammer im Arbeitskreis „Real Labor“ ausbaldowert haben, sind momentan noch gelbe Klötze. Auf dem 3-D-Stadtplan im Foyer des Bausenator-Hochhauses ergeben sie die Vision davon, wie die Bremer Bahnhofsvorstadt künftig aussehen könnte.

Die Vorschläge beziehen sich vor allem auf die Flächen, die seit Jahren als neuralgische Punkte bekannt sind: das Busbahnhof- und Discomeilen-Chaos am Breitenweg etwa. Bedacht wird zudem die Brache hinter dem Fruchthof und das trostlose Verkehrsinseldasein des ehemaligen Bundeswehrhochhauses, das dereinst als „Falkenquartierzentrum“ etabliert werden soll. Etwa 800 Wohnungen könnten durch Neubau plus Umwidmung leerstehender Bürokomplexe entstehen und damit citynahes Wohnen ermöglichen. Die Nachfrage sei groß, ebenso für höherwertige Büroflächen, sagt die Referats­leiterin Stadtplanung Angela Weiskopf.

Es geht um das Entrée der Stadt. Das Bahnhofsviertel. Verrufen sind diese Quartiere bundesweit: Uringestank plus Dönerdüfte ihr Parfüm. Unterschiedliche Grade der Vermüllung die täglich wechselnden Installationen. Tagsüber funktionieren die Viertel als Durchgangsstationen für Berufspendelei, später werden sie zu Pilgerstätten fürs Partyvolk. Drogendealer und Diebesbanden betreiben dort ihr Business. Und wenn erst einmal die Kulturschaffenden beginnen, dort gentrifzierend tätig zu werden, kann auch ein In-Viertel mit schniekeren Lokalitäten im exotisch-schmierigen Ambiente entstehen – wie in Frankfurt am Main. Weg mit dem Schmuddel-Image, wünscht sich auch der zuständige Stadtplaner Petry.

Die Hochhäuser aus der Nachkriegszeit verheißen zwar großstädtisches Flair, sind aber meist heruntergenutzt bis abrisswürdig. Ein paar Meter weiter die Breitenweg-Schneise mit der Hochstraße – Relikt der Wahnidee einer „autogerechten Stadt“. Weil niemand einen Plan hat, den Autoverkehr anderweitig durch Bremen zu leiten, ist der Abriss des Ungetüms kein Thema. Generiert am Computer sind daher für die Schau beim Bausenator apart illuminierte Visionen der Dunkelangst­räume unter der Fahrbahn: neongrelle Lichtinszenierungen, Begrünungen, schmuck gepflasterte Fahrrad- und Fußwege, ein Basketballfeld und eine Kunstgalerie sind zu finden wie auch Sitzmöbel, auf denen kleine Kinder große Bücher lesen. Das zeigt vielleicht schon etwas vom Realitätsgehalt der Entwürfe.

Neben der Hochstraße ist eine Art Flaniermeile mit einer bühnenähnlichen Treppe als Abschluss. Baubeginn für erste Maßnahmen in diese Richtung sei 2018, betont Wim Petry. Der Remberti-Kreisel strahlt auf den Illustrationen als Park mit einer schmucken Gebäudezeile. Umsetzung? „Vielleicht in acht, neun Jahren“, so Petry.

Grundsätzlich sollen die Entwürfe, so Weiskopf, die Bahnhofsvorstadt grüner, dichter, gleichberechtigter, urbaner machen. Grüner: Bäume pflanzen und Dächer parkähnlich bespielen. Dichter: Freiflächen bebauen. Urbaner: Durch entsprechende Vermietung im Erdgeschossbereich den Eindruck von einem vitalen Viertel vermitteln. Und gleichberechtigter? Gegen die Bevorzugung des motorisierten Verkehrs etwas tun. Die Autospur am Herdentorsteinweg eliminieren und zu Fuß-/Fahrradweg umbauen – beispielsweise. „Könnte 2019 Realität werden“, so Petry.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.