Unterhaltungssport Skispringen: Verflogene Begeisterung

Die Vierschanzentournee wird gerade zum 60. Mal ausgetragen und fasziniert nach wie vor viele. Doch das große Interesse ist längst kein Selbstläufer mehr.

Einmal so fliegen können ... Bild: dapd

INNSBRUCK taz | Dass es in Innsbruck nicht um irgendein Springen gegangen ist, hat der österreichische Cheftrainer Alexander Pointner schon zuvor klar gemacht: "Da sind all unsere Sponsoren und Partner vor Ort." Die Vierschanzentournee ist das große Schaufenster einer Sportart, die nie zu einer Massenbewegung werden wird.

Skispringen kann man nicht einfach so in der Freizeit als Hobby ausüben. Skispringen muss die Menschen beim Zuschauen fesseln. Skispringen ist faszinierend, weil einige wenige Menschen etwas können, was anderen verwehrt bleibt: Fliegen, für ein paar Sekunden. Und besonders große Aufmerksamkeit ernten die Skispringer mit ihrer Vierschanzentournee, die in diesem Winter bereits zum 60. Mal stattfindet.

Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag haben viele Menschen frei und damit Zeit, um vor dem Fernseher zu sitzen. Dabei waren für die Terminierung anfangs rein praktische Gründe verantwortlich. "Die Springer waren früher ja alle berufstätig und astreine Amateure", sagt Klaus Taglauer.

Seit 1969 begleitet er die Tourneeorganisation, in den 1970er Jahren wurde er deren Pressechef. Inzwischen ist Taglauer längst im Ruhestand. Heute ist der Tourneetermin eine fast perfekte Marketingidee, denn der Fußball ruht in diesen Tagen. Deshalb machen andere Wintersportarten dem Skispringen längst Konkurrenz.

Erfolgreiche Vergangenheit

Kann die Tournee da unangefochten bleiben? "Dem Skisprungsport macht das nichts aus", sagt Taglauer. Das glaubt auch Alexander Pointner. Denn diese Veranstaltung atme "Kultur und Tradition". Das klingt irgendwie gemütlich und heimelig. Doch das ist die Tournee längst nicht mehr.

Als Ende der 1990er Jahre Martin Schmitt als umschwärmter Schanzenstart antrat und später Sven Hannawald alle vier Tourneespringen für sich entscheiden konnte, glaubte der Schanzensport, es locker mit Fußball oder der Formel 1 aufnehmen zu können: Der Privatsender RTL übertrug nun die Vierschanzentournee, aus der ein "Event" wurde.

Inzwischen ist das Skispringen wieder in öffentlich-rechtlicher Hand. Ein Unterhaltungssport ist es auch da. Ex-Springer Dieter Thoma, zuvor für RTL im Einsatz, kam bei der ARD unter. Dort plaudert er seit dieser Saison mit Matthias Opdenhövel, der vor noch gar nicht allzu langer Zeit - zumeist zusammen mit Stefan Raab - bei Pro7 Unterhaltungsfernsehen machte.

Toni Innauer statt Jens Weißflog

Deutlich mehr Wirbel erzeugte das ZDF - mutmaßlich ohne böse Absicht. Der Mainzer Sender entschloss sich, den altgedienten Experten Jens Weißflog auszuwechseln. Man verpflichtete den Österreicher Toni Innauer. Eine Skisprung-Legende. Ein begabter Rhetoriker, der Skispringen anschaulich und klug erklären kann.

Sven Hannawalds Umfeld versuchte, daraus einen Skandal zu konstruieren, die Bild bot dafür die Plattform: Wie kann das deutsche Fernsehen einen Österreicher als Experten beschäftigen? Hannawald darf jetzt im Bezahlfernsehen reden.

Bei seinem Tourneeerfolg 2002 sahen beim finalen Sprung in Bischofshofen bei RTL 14,89 Millionen Menschen in Deutschland zu (Marktanteil: 57,9 Prozent). Ein Wert, der es locker mit wichtigen Fußballübertragungen aufnehmen kann. Heute hat sich die Begeisterung gelegt. Das Neujahrsspringen verfolgten durchschnittlich 5,67 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 26,8 Prozent). Vergangenes Jahr war das Interesse ein wenig größer (6,03 Millionen).

Wenn kein deutscher Seriensieger in Sicht ist, dürfte das die maximale Ausbeute sein. In Norwegen indes, das fünf Millionen Einwohner hat, zählte man zuletzt mehr als zwei Millionen TV-Zuschauer.

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