Unabhängige Game-Designer aus Halle: „Deshalb sind wir Indie“

Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch entwickeln unkonventionelle Games. Sie sind für den Deutschen Computerspielepreis nominiert.

Friedrich Hanisch und Jana Reinhartdt alias „Rat King" haben Pläne für die Zukunft. Bild: Zuraida Buter zo-ii.com

HALLE taz | Alles ist schwarz. Tick, tack, tick, tack, mit metronomischer Genauigkeit tönen die Laute. Ich drehe mich im Kreis und sehe Holzwände. Dahinter eine Hängematte. Mit gedrückter A-Taste hüpfe ich rein. Links von mir führt ein Treppe zum Laufrad, doch ich bewege mich nach vorne und stoße mit meiner Nase an Gitterstäbe.

Unscharf sind die Umrisse eines Wohnzimmers zu erkennen. Hier geht es nicht weiter. Doch dahinter liegt das Reich aus Festplatten, Comics und 24-Zoll-Bildschirmen von Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch alias „Rat King Entertainment“.

Das Spiel „Rat Race“ simuliert aus der Ego-Perspektive den Alltag einer Ratte und damit, wie es sich anfühlt, sich alleine zu beschäftigen. Im virtuellen Zuhause lässt sich gut faulenzen.

Reinhardt und Hanisch sind Indiegame-Designer aus Halle (Saale). Sie machen Spiele, die nicht an den Markt angepasst sind, online vertrieben werden, und setzen Ideen nach ihren eigenen Vorstellungen um. Von Trends aus der Computerszene halten sie nicht viel.

„Beeinflussen kann man Trends nicht“, sagt Reinhardt. „Und vielleicht ist es auch falsch, ihnen zu folgen.“ Computerspiele sollen in fremde Welten eintauschen lassen und Emotionen wecken. „Man spricht, handelt, kämpft, verkörpert Figuren“, sagt Hanisch

Neben dem dreistöckigen Käfig, dem Zuhause von vier Ratten, hängt ein Steckperlen-Pikachu von der Decke im Wohn- und Arbeitszimmer des Entwicklerduos. Auf dem Sofa sitzen die beiden Anfang-30-Jährigen. Im Regal stehen viele Mangas, aber auch ein paar Statuen und Pokale, die sie gewonnen haben.

Hanisch hat einen Kinnbart und etwas längere Haare. Reinhardt trägt einen Zopf. Sie hat einen schwarzen Hoodie, der auf dem Rücken Gesichter von drei Nagetieren ziert, und hat einen ausgestellten Rock an.

Schon vor dem Studium in Multimedia-Design verbrachten beide viel Zeit mit der Gestaltung von Computerspielen. Vor zehn Jahren lernten sie sich auf der Kunsthochschule „Burg Giebichenstein“ kennen. Es funkte. Sie zogen zusammen.

Das Ideenheft

Sie überlässt das Programmieren ihrem Freund, der für die Spielmechanik zuständig ist, aber „mein Ideenheft ist genauso dick“, sagt Reinhardt. Hanisch öffnet mit der Software „Unity“ die dreidimensionalen Spielebenen.

Seine Stimme klingt tief und ruhig, wenn er am Computer erklärt, wie er die verschiedenen Soundfiles, Animationen und Grafiken bei ihrem neusten Spiel „TRI“ eingebaut hat. „Auf den farbigen Ringen sind sie hinterlegt“, sagt er. Die Charaktere Fuchs und Mönch, insgesamt das japanisch beeinflusste Design, stammt von Reinhardt.

Nach dem Studium entscheiden sich beide für die Selbstständigkeit. Das war vor vier Jahren. Andere Kommilitonen gingen in die Werbebranche oder arbeiten heute als Fotografen. Im Gegensatz zu festangestellten Kollegen können sie im ganzen Prozess kreativ sein, das ist, neben der freien Zeiteinteilung, besonders wichtig für sie.

„Bei größeren Firmen bist du zum Beispiel nur noch für die Umsetzung zuständig und kannst nicht im ganzen Spiel bestimmen“, sagt Reinhardt. Es sei eine starke Einschränkung. Dass sie auf dem freien Markt mehr verdienen würden als mit ihrem Projekt „Rat King Entertainment“, ist ihnen klar.

„Das Besondere an Rat King ist ihr Wille zum Experiment“, sagt Dennis Kogel, Autor beim Gameblog „Superlevel“, der ihre Spiele gut kennt. „Wenn Rat King Super Mario machen würden, dann wäre es kein Jump Run. Mario müsste dann Level umbauen, durch Dimensionen springen und rückwärts laufen.“

Mit ihren Spielen sind sie nicht immer kommerziell erfolgreich, dafür haben sie eine Palette an ausgefallenen kostenlosen Spielen, die gut ohne den klassischen männlichen Helden auskommen, der seine Prinzessin errettet.

„Bei der Schwemme, die es momentan gibt, ist es schwierig, Spiele zu gut zu verkaufen, wenn man nur ein geringes Marketingbudget zur Verfügung hat“, sagt Reinhardt.

Doch sie verzeichnen auch Erfolge. Derzeit sind sie zwei Mal für den Deutschen Computerspielpreis nominiert. Als „bestes Jugendspiel“ so wie für den „Publikumspreis“, die am 26. April in Berlin verliehen werden.

Nicht nur internationale Unternehmen, auch Ein-, Zwei- oder Dreimannteams drängen auf den Spielemarkt. Die größte Plattform, die Indie-Spiele vertreibt, ist „Steam“. Mit „TRI“, der Suche nach einem verlorenen Fuchs, haben Reinhardt und Hanisch es im Oktober geschafft, in den etablierten Kreis aufgenommen zu werden.

„TRI“ ist ein sogenanntes Puzzle-Game in 3-D. Das heißt, man muss kleine Rätsel lösen, um weiterzukommen. Trotz der Zusammenarbeit mit einem Spieleverleger, in der Branche Publisher genannt, beharren sie auf ihrer Unabhängigkeit. Bisher hat das ihrer beruflichen Zusammenarbeit nicht geschadet.

Das magische Dreieck

Reinhardts Faible für Animes hat seine Spuren hinterlassen. So wird aus einer Waffe in der Endversion von „TRI“ ein magisches Dreieck. Wer die Zeichentrickfilme des Japaners Hayao Miyazaki kennt, fühlt sich an „Das wandelnde Schloss“ erinnert.

„Man kann die Game-Szene ganz gut mit der Film-Szene vergleichen“, sagt Christian Schiffer, Netz-Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, der sich beruflich mit den neusten Computerspielen auseinandersetzt. „So wie es Blockbuster und Arthaus-Filme gibt, gibt es Mainstream-Games und Indies.“

„Monatlich spende ich als Fan für einen Game-Podcast“, sagt Reinhardt. Neben Preisen wie dem „IGF“ (Indie Game Festival) stellt Crowdfunding besonders im Ausland eine der Finanzierungsmöglichkeiten von Indies dar. Hanisch besitzt auf seinem Stream-Account über 200 Games, doch nicht nur das Spielen an sich steht im Mittelpunkt.

Sie veranstalten zu Hause LAN-Partys, sie sind auf Twitter mit Gamern und Journalisten verknüpft und tauschen sich in Foren mit Entwicklern aus. Ihre Ideen entstehen oft unter Zeitdruck in Game, kleinen Zusammentreffen von Spielerfindern. Um ihre eigenen Projekte zu finanzieren, nehmen beide immer wieder Auftragsjobs an.

Die vier Maskottchen

„Wir kämpfen täglich und überlegen uns, ob wir unser Ding fahren“, sagt Reinhardt. Gerade prüfen sie das Angebot eines etablierten Spieleherstellers, um „TRI“ für die Konsole umzuprogrammieren. Zuerst haben sie es abgelehnt. „Gerade läuft es bei uns nicht so streng“, sagt Reinhardt.

Sie befinden sich in der Konzeptphase. In ein paar Wochen soll es mit dem Programmieren weitergehen, dann holen sie sich neben ihren Maskottchen, den vier Nagern Cersei, Norse, Fabienne und Dex, auch wieder menschliche Verstärkung ins Wohnzimmer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.