Umwelt-Gefahr: Zeitbombe Nordsee-Öl

Das Risiko einer Katastrophe bei der Ölförderung wächst, warnt eine Studie. Grund dafür sei die alternde Infrastruktur.

Je älter desto gefährlicher: Die Bohrinseln der Nordsee sind oft antiquiert. Bild: dpa

HAMBURG/BERLIN taz | Ölverschmierte Vögel und Robben, erstickende Würmer und Muscheln, Teerklumpen im Watt: Die Gefahr, dass dieses Szenario Wirklichkeit wird, steigt, wie eine Studie des Hamburger Instituts Energycomment im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion ausführt.

Die Bohrinseln und Pipelines der Öl-Industrie in der Nordsee seien in die Jahre gekommen. Angesichts sinkender Fördermengen lohne es sich für die Ölkonzerne nicht, sie in Schuss zu halten. „Die Region wird Schritt für Schritt zu einem Sanierungsfall mit Millionen Tonnen Stahl, Restöl und chemischen Stoffen“, warnt der Autor Steffen Bukold. Mehrfach habe die Nordsee in jüngerer Zeit kurz vor einer Katastrophe gestanden.

Vollgestopft mit Anlagen

Zwar gibt es im deutschen Gebiet der Nordsee nur die Ölbohrplattform „Mittelplate“ vor Dithmarschen. Doch wie Bukold nachzeichnet, ist die Nordsee vollgestopft mit Plattformen, Pipelines, Terminals und Unterwasser-Installationen zur Öl und Gasförderung. Nach Zählung der Ospar-Kommission zum Schutz des Nordostatlantiks gab es 2011 insgesamt 741 solcher Anlagen, 90 Prozent davon in der Nordsee, besonders viele im britischen Sektor. Wegen der Meeresströmungen würde das Öl aus einem britischen Unfall das Wattenmeer verkleben.

Jedes Jahr gibt es Hunderte von Störfällen, bei denen Öl und Chemikalien ins Meer gelangen. Selten sind das große Mengen auf einen Schlag. Beim größten Unfall in britischen Gewässern in den vergangenen zehn Jahren, der Havarie der Gannet-Alpha-Plattform, flossen knapp 220 Tonnen Öl ins Meer. Bei dem Ölunfall von BP im Golf von Mexiko waren es mindestens 500.000 Tonnen.

Bukold weist darauf hin, dass die meisten Plattformen älter als 20 Jahre sind, ein Drittel sogar älter als 30. Viele der Öl und Gasfelder, die sie ausbeuteten, seien nahezu erschöpft. Neue Investitionsbudgets würden nur widerwillig bewilligt, weil die Konzerne lieber in anderen Weltregionen investierten. „Es besteht daher das Risiko, dass zu wenig investiert wird, um Sicherheitsstandards aufrechtzuerhalten“, warnt der Gutachter.

Doch auch mit der täglichen Förderpraxis gelangen ständig Öl und Chemikalien ins Meer. Zum einen kommt verunreinigtes Wasser mit an die Erdoberfläche, wenn Öl gefördert wird. Zum andern pressen die Firmen Nordseewasser in die Lagerstätten, um durch den Druck das Öl herauszupressen. Und schließlich wird Nordseewasser als Ballast in Öltanks verwendet.

Ein „Dauerstörfall“

Bei diesen Praktiken dürfen 30 Milligramm Öl in einen Liter Wasser gelangen. Dieser Grenzwert wird zudem häufig überschritten. Von 2007 bis 2011 wurden zwischen 35 und 319 Tonnen Öl illegal eingeleitet. „Obwohl die Mengen pro Plattform und Tag gering sind, summieren sich die Verschmutzungen zu einem ’Dauerstörfall‘“, resümiert Bukold und regt an, die absurd niedrigen Sanktionen zu verschärfen.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Peter Meiwald aus dem Ammerland forderte, die Bundesregierung müsse Norwegen und besonders Großbritannien dazu drängen, ihre laxe Aufsichtspraxis zu verbessern. Die permanente Meeresverschmutzung bei der Ölförderung, sei „ein weiterer Grund, aus der fossilen Energieversorgung auszusteigen“.

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