Umstrittene Internet-Verordnung der EU: Netzneutralität, aber ...

Das EU-Parlament tastet die Netzneutralität an. Zwar soll eine neue Verordnung diese gesetzlich verankern, doch der Text ist schwammig.

EU-Abgeordnete im Parlament

Haben abgestimmt: EU-Abgeordnete am Dienstag in Straßburg. Foto: dpa

BERLIN taz | In den letzten Stunden hatten sie noch einmal alle Register gezogen: Unternehmen von Tumblr bis Soundcloud, Organisationen wie Reporter ohne Grenzen und auch der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, sprachen sich für eine starke Netzneutralität aus. Genützt hat es nichts: Das EU-Parlament hat am Dienstag eine eher unbestimmte Regelung verabschiedet.

Das Prinzip der Netzneutralität besagt, dass Telekommunikationsanbieter alle zu transportierenden Daten gleich behandeln. Einzelne Datenpakete schneller zu ihrem Empfänger zu bringen oder andere zu drosseln, ist nicht erlaubt. Eine gesetzliche Grundlage dafür fehlte bislang sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene. Die Verordnung zum einheitlichen Telekommunikationsmarkt, die das Europaparlament gestern verabschiedet hat, sollte das ändern.

Doch das Ergebnis ist umstritten. Denn die Regelung sieht zwar vor, dass Telekommunikationsprovider sämtliche Dienste gleich behandeln müssen und zwar „ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgeräts“, wie es in der Verordnung heißt. Vizepräsident Andrus Ansip betonte, die neuen Regeln würden das Blocken oder Drosseln, sowie die bezahlte Priorisierung von zu transportierenden Inhalten verbieten.

Doch aus dem Gesetzestext geht das so nicht hervor. Denn es gibt zahlreiche Ausnahmen, in denen die Provider den Transport von Daten eben doch verlangsamen oder bevorzugen dürfen. Dazu gehören Spezialdienste, im Gesetz ist hier beispielhaft von „Maschine-Maschine-Kommunikation“ die Rede. Welche Anwendungen das genau sein sollen, bleibt offen.

Nachteile für verschlüsselte Kommunikation

Darüber hinaus dürfen die Telekommunikationsanbieter Inhalte blockieren oder drosseln, wenn eine Netzüberlastung droht. Doch wann und ob das der Fall ist, beurteilen ausschließlich die Provider selber.

Eine Analyse, die die Stiftung Neue Verantwortung im Auftrag der Global Commission on Internet Governance und des britischen Thinktanks Chatham House erstellt hat, kommt deshalb zu dem Schluss, dass eine schwache Regelung zur Netzneutralität den Breitbandausbau behindern wird. Schließlich hätten die Anbieter der Infrastuktur dann ein Interesse daran, sie knapp zu halten. So können sie innerhalb der knappen Bandbreite priorisierte Zugänge verkaufen.

Die Electronic Frontier Foundation kritisiert einen weiteren Punkt: Die Provider sollen die Datenströme nach unterschiedlichen Klassen einteilen und behandeln können. So könnten sie etwa Internet-Telefonie unterscheiden und gegenüber einer E-Mail bevorzugen. Der Verband befürchtet jedoch, dass die Anbieter die Regelung nutzen, um verschlüsselte Kommunikation zu benachteiligen.

Zwei zentrale Begriffe kommen in dem Text dagegen nicht vor. Neben dem Begriff Netzneutralität ist das die Bezeichnung Zero Rating.

Dieses Prinzip erlaubt Providern die Kooperation mit den Anbietern von Inhalten, also etwa einem Video-Dienst. Die Videos werden dann nicht auf das Internetvolumen des Nutzers angerechnet. Der wird also etwa eine Nachrichtensendung eher über den Videodienst ansehen, als über die Mediathek des Fernsehsenders. Ein Nachteil für alle Anbieter von Inhalten, die sich keine Kooperation mit den Providern leisten können. Das können die Inhalte von Nichtregierungsorganisationen oder Vereinen genauso betreffen wie die von Start-ups oder Privatpersonen.

„Das EU-Parlament opfert das freie und offene Netz in Europa den Gewinninteressen einiger weniger Telekommunikationskonzerne“, kritisiert Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. Das sei schädlich für die Meinungs- und Informationsfreiheit in ganz Europa.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), forderte die Bundesnetzagentur auf, schnell Mindeststandards für die Qualität von Internet-Anschlüssen zu definieren. Würden diese nicht eingehalten, müssten Verbraucher entschädigt werden.

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