Überwachung der Wissenschaft: Lehre unter Beobachtung

Niedersachsen will Hochschulen besser überwachen, um antisemitische Vorfälle wie in Hildesheim zu vermeiden. Dabei blieb Kritik bisher folgenlos.

Qualität der Lehre: Uni sollen genauer hinschauen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BREMEN taz | Das niedersächsische Wissenschaftsministerium will Skandale vermeiden und die universitäre Lehre deshalb enger überwachen. Mit „Empfehlungen zur Qualitätssicherung von Lehraufträgen“ sollen Konsequenzen aus den Vorfällen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hildesheim (HAWK) gezogen werden, wo eine externe Lehrbeauftragte mehr als zehn Jahre lang ein Seminar über den Nahostkonflikt mit antisemitischen Inhalten angeboten hatte.

Erst nach massiver Kritik unter anderem des Präsidenten des Zentralrats der Juden Josef Schuster tat sich etwas: Nachdem ein Gutachten des Zen­trums für Antisemitismusforschung schließlich das didaktische Versagen der Hochschule feststellte, mussten sowohl die Dekanin der zuständigen Fakultät Christa Paulini als auch die Präsidentin der Hochschule Christiane Dienel gehen.

Auch Niedersachsens Wissenschaftsministerin Heinen-Kljajić (Die Grünen) stand in der Kritik, viel zu spät und erst auf Druck von Medienberichten auf die Vorfälle in Hildesheim reagiert zu haben. Als Reaktion auf den Skandal in Hildesheim kündigte Heinen-Kljajić schließlich an, die Auswahlkriterien für Lehrbeauftragte überprüfen zu lassen.

Hochschulen sind auf externe Lehrbeauftragte in hohem Maße angewiesen. Bei der Überprüfung ihrer Qualifikation und der Begleitung der Veranstaltungen werden daher oft Abstriche gemacht. „Je nach Fach und ‚Marktlage‘ kann die Gewinnung von Lehrbeauftragten eine Herausforderung für die Hochschulen darstellen“, heißt es in den Empfehlungen.

2006: An der HAWK in Hildesheim wird eine vierstündige Einführungsveranstaltung für Studierende, die ein Praktikum in Israel absolvieren wollen, angeboten. Später stellt sich heraus: Die Dozentin war nicht qualifiziert, die Betrachtung des Nahostkonflikts einseitig. Die Hochschule hält trotz massiver Kritik an der Veranstaltung fest – zehn Jahre lang

September 2016: Die verantwortliche Dekanin Christa Paulini tritt zurück.

November 2016: Ein Gutachten des Instituts für Antisemitismusforschung bescheinigt der Hochschule didaktisches Versagen und der Lehrveranstaltung antisemitische Inhalte. Der Senat der Hochschule spricht sich gegen eine zweite Amtszeit der Präsidentin Christiane Dienel aus. Die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) kündigt an, die Auswahlkriterien für Lehrbeauftragte überprüfen zu lassen.

Februar 2017: Ministerium und Hochschulkonferenz einigen sich auf ein Eckpunktepapier zur Sicherung der Qualität von Lehrbeauftragten.

Das gemeinsame Eckpunktepapier des Ministeriums und der Landeshochschulkonferenz soll diesem Umstand nun Rechnung tragen: So soll – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – die fachliche und pädagogisch-didaktische Eignung vorab festgestellt und auch während des Semesters überprüft werden. Neue Lehrbeauftragte sollen durch ein Paten- oder Mentorensystem unterstützt und begleitet werden und Lehrveranstaltungen besser evaluiert werden.

Das bedeutet: Die ohnehin vorgeschriebene Evaluierung der Lehrveranstaltung soll künftig während des Semesters stattfinden, um „eine zeitnahe Reaktion mit unmittelbaren Auswirkungen“ für die Studierenden zu ermöglichen, wie es im Eckpunktepapier heißt.

Das klingt gut, allerdings: Auch die fragliche Lehrveranstaltung in Hildesheim war über Jahre immer wieder evaluiert worden. Die darin vorgebrachten Beschwerden der Studierenden über mangelnde Wissenschaftlichkeit und eine eindeutig antisemitische Schlagseite in der Bewertung des Nahostkonflikts blieben jedoch folgenlos. An mangelnder Evaluierung lag es jedenfalls nicht, dass das Seminar über zehn Jahre an der HAWK stattfinden konnte.

Inwiefern nun eine Evaluierung im laufenden Semester einen zusätzlichen Nutzen bringen soll, kann auch die Geschäftsführung der Hochschulkonferenz nicht erklären: Die „pauschale Beantwortung der von Ihnen formulierten Detailfragen“, so heißt es auf die Nachfrage der taz, sei „verständlicherweise nicht möglich“. Die konkrete Umsetzung obliege jeder einzelnen Hochschule im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Gemeint ist das niedersächsische Hochschulgesetz, in dem ohnehin eine jährliche Evaluierung geregelt ist.

Wirkungsvoller dürfte im Zusammenspiel mit der Evaluierung ein verbessertes Beschwerdemanagement sein, das in dem Positionspapier ebenfalls angestrebt wird: So soll der Beschwerdeweg für Studierende „möglichst niedrigschwellig“ sein und eine Rückmeldung der Studierenden erleichtern. Ombudsleute sollen an den Hochschulen dafür sorgen, dass Beschwerden von Studierenden künftig auch gehört werden – und damit die Qualität der Lehre gewahrt bleibt.

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