Über 50-jähriger Fußballer aus Japan: König des Spiels wird abgesetzt

Kazuyoshi Miura kommt in Japan ein Sonderstatus zu. Nun sitzt der älteste Fußballprofi der Welt auf der Tribüne. Die Aufregung ist groß.

Der japanische Fußballer Miura sitzt auf dem Fußballfeld und vor ihm liegt ein Fußball

Miura gilt in seiner Heimat als Fußballgott Foto: Jun Tsukida

TOKIO taz | Fußballjapan ist erschüttert. So arg rüttelt das Beben vom Wochenende noch nach, dass die vielen erfreulichen Notizen vom Saisonauftakt in den Hintergrund treten. Vergessen scheint derzeit, dass in dieser neuen, mit dem Kalenderjahr laufenden Saison gleich drei Weltmeister für einen einzigen Klub spielen, nämlich Lukas Podolski, Andrés Iniesta und David Villa bei Vissel Kobe. Auch die Tatsache, dass die J-League wieder über eine Handvoll japanischer Jungnationalspieler verfügt, die schon bald von europäischen Klubs gejagt werden könnten, ist nun nicht die größte Notiz. Die wohl wichtigste Nachricht vom Wochenende kommt aus der Zweiten Liga. Auf den Punkt brachte sie die Nikkan Sports am Montag: „Kazu ist nur noch 19. Mann.“

„Die Legende“, wie die Zeitung ausführte, „hat es nicht auf die Liste der 18 nominierten Spieler geschafft.“ Viele Medien waren außer sich. Direkt nach dem Spiel am Sonntag bedauerte das Daily Sports: „Die letzte Partie als 51-jähriger sieht Kazu nur von der Tribüne aus.“ Höchstens zweitrangig war, dass die Mannschaft von „Kazu“, der FC Yokohama, sein erstes Saisonspiel gegen V-Varen Nagasaki durch ein Gegentor in letzter Minute mit 0:1 verloren hatte.

Schließlich ging es hier nicht um irgendjemand. „King Kazu“, mit vollem Namen Kazuyoshi Miura, ist der ewige Star Japans, der Methusalem des Fußballs, der älteste Profi der Welt. Und wie es so ist mit lebenden Legenden, verschließt man vor den Zwängen der Zeit gern die Augen, was im Fall von Miura sowohl Medien als auch Trainern über Jahre immer wieder gelang. Am vergangenen Wochenende aber passierte es doch: der König des Spiels, der sonst zumindest auf der Ersatzbank einen Stammplatz hatte, ist mit 51 Jahren offiziell sportlich verzichtbar geworden.

Seit fast dreieinhalb Jahrzehnten verdient Kazuyoshi Miura sein Geld mit dem Fußballspielen. Als Japan im Jahr 1993 die J-League einführte, damals noch geprägt von ausländischen Altstars wie Zico, Gary Lineker oder Pierre Littbarski, sicherte sich Miura sensationell als Japaner die Torjägerkanone. In jenen Jahren wurde er zu „King Kazu“, schließlich kürte man ihn zum besten Fußballer Asiens. Fortan spielte Miura in ausländischen Ligen, unter anderem der ita­lie­nischen Serie A. Miura war es auch, der Japan zur ersten WM-Teilnahme 1998 führte.

In Japan bekannt als „Fußballgott“

Außerdem hat dieser „King Kazu“ schon ganze Generationen inspiriert – auch mit Popkultur. Miuras Werdegang ist nämlich die Vorlage der weltweit erfolgreichen Mangas und Animes um „Captain Tsubasa“ (in Deutschland bekannt als „Die tollen Fußballstars“). Die Geschichte handelt von einem Jungen, der Japan als Teenager gen Brasilien verlässt, dort Profi wird und als Nationalspieler sein Land zu einer Größe macht. Diese jedenfalls in groben Umrissen wahre Story haben unter anderem Fernando Torres und Lionel Messi für den Fußball begeistert.

Schon länger nennt man in Japan Miura einen „Fußballgott“. Die damit einhergehende Rolle des Unsterblichen hat er im stark altershierarchisch organisierten Japan seit Jahren genossen. Bei der WM 2014 in Brasilien begleitete der damals 47-jährige das Nationalteam. Seine Anwesenheit sollte den jungen Spielern Mut machen, hieß es. Als vor zwei Jahren die J-League-Saison vermeintlich zufällig am 26. Februar begann, also Miuras 50. Geburtstag, verkündete der Altstar bei seiner eigenen Pressekonferenz nach dem Spiel hinter einer ihm von japanischen Medien geschenkten Torte, dass er noch nie ans Aufhören gedacht hatte.

In diesem Jahr verlängerte die Nummer 11 des FC Yokohama ihren Vertrag zum x-ten Mal. Wie schon so oft am 11. Januar, vormittags um elf Uhr und elf Minuten, verkündete „King Kazu“, noch genau ein weiteres Jahr dranzuhängen. Der öffentliche Rundfunk NHK zitierte Miura, dieser wolle „nicht eine einzige Minute und nicht eine einzige Sekunde“ seiner Karriere verschwenden. Angesichts seiner sportlichen Leistungen überraschen die steten Vertragsverlängerungen. 2017 machte Miu­ra noch ein Saisontor. 2018 gelang ihm dies bei neun über das Jahr verteilten Kurzeinsätzen nicht mehr.

Beim Einsatz an seinem 50. Geburtstag vor zwei Jahren blieb der Applaus im Stadion während Miuras Ehrenrunde überraschend verhalten. Doch Kritik am Fußballgott ist nicht zu hören. Schon gar nicht jetzt, da Kazuyoshi Miura am 26. Februar seinen Geburtstag feiert. Was wiederum nach einem neuen Rekord schreit, ein Einsatz mit 52 Jahren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.