US-Zeitung „San Francisco Chronicle“: Schnell mal das Internet lernen

Ab zum Drill: Der „San Francisco Chronicle“ zwingt alle Mitarbeiter zur Fortbildung, um Social Media zu lernen. Das soll die Traditionszeitung retten.

Zehn Wochen, dann hat man sich das mit dem Internet und der Online-Kompetenz zusammengeklöppelt. Bild: imago/Steinach

Ein Verweis auf die Facebook-Seite eines Politikers, ein integrierter Tweet, ein eingebettetes Video – das alles mutet schön digital an, denken viele Kollegen auf dem Zeitungsmarkt. Oft genug war es das dann aber schon mit der digitalen Verzahnung im Journalismus. Doch das allein bringt es nicht, sagt Audrey Cooper, stellvertretende Chefredakteurin der amerikanischen Traditionszeitung San Francisco Chronicle. Und schickt ihre gesamte Redaktion ab Februar in den „Chronicle Incubator“.

In diesem Brutkasten werden vom Redakteur über den Grafiker bis zum Programmierer ohne Ausnahme alle Ressorts im Umgang mit Social Media geschult. Ziel des Projekts sei eine bessere Berichterstattung sowohl für die Printausgabe wie für den Online-Auftritt sfgate.com, sagt Kristen Go. Sie verantwortet das Projekt beim Chronicle. „Wenn wir als Team gemeinsam an Ideen arbeiten, können wir sie viel besser umsetzen, und eine stärkere Onlinenberichterstattung dient auch der Zeitung.“ Sie soll langfristig höhere Erlöse bringen.

Der Chronicle gehört seit 2000 zum Medienkonzern Hearst Corporation und leidet unter massivem Auflagenverlust. Hatte das Blatt 2009 noch eine tägliche Auflage von mehr als 312.000 Exemplaren, waren es im März vergangenen Jahres noch gut 218.000. Das 1885 gegründete Blatt gehört nicht mehr zu den 25 auflagenstärksten Tageszeitungen in den USA und stand vor fünf Jahren bereits vor dem Aus. Geschäftszahlen gibt Hearst nicht heraus, aber das offizielle Statement zum Zweck des „Chronicle Incubator“ liest sich eindeutig: „Journalisten bekommen die Möglichkeit und Freiheit, ihre Arbeit neu zu entwickeln, die Onlineberichterstattung zu priorisieren und damit dem Unternehmen zu ermöglichen, Leser zu gewinnen und den täglichen Journalismus für die Region zu erhalten.“

Eingerichtet ist der Zukunfts-Brutkasten außerhalb der Redaktionsräume. Wie der Alltag in ihm aussehen wird, steht noch nicht endgültig fest, aber Kristen Go hat klare Vorstellungen von einem idealen Ablauf: „Am Vormittag müssen wir unsere digitale Strategie für den Tag festlegen und entscheiden, was in Print erscheint. Danach werden die Reporter entsprechend arbeiten.“ Das bedeute womöglich eine Veränderung in der Arbeitsstruktur, sagt Kristen. Teams sollen früher kommen, um die Webseite mit Inhalten zu bedienen. Andere müssen wiederum spät kommen, um noch für den Zeitungsandruck zu schreiben.

Acht bis zehn Wochen soll jedes Ressort im Inkubator verbringen. Experten werden Vorträge zum Umgang mit Social Media – Twitter, Google+, Pinterest, LinkedIn – aber auch zu Themen wie Suchmaschinenoptimierung halten.

Paywall nach vier Monaten Geschichte

„Wir sind sehr gut darin, unsere Arbeit in der Zeitung zu präsentieren, aber wir sind noch nicht weit genug gegangen, wenn es um die Frage geht, wie wir unsere Inhalte online präsentieren“, sagt Go. Und das, obwohl die Zeitung bereits 1993 sfgate.com launchte. Neben der wenig individuellen Seite, die sowohl journalistische als auch viele kommerzielle Inhalte anbietet, ging der Chronicle im März 2013 zusätzlich mit einer Premium-Seite online. Auf sfchronicle.com sollten ausschließlich exklusive Bezahlinhalte präsentiert werden. Doch vier Monate später war die Paywall Geschichte. Die Seite gibt es trotzdem noch, die Inhalte doppeln sich mit sfgate.com, doch ist die Anmutung eine andere – näher an der gedruckten Zeitung.

Nun also das Social-Media-Experiment. Der Zwangs-Brutkasten, um die Print- und Online-Redaktionen des Hauses besser zu vernetzen. Laut Kristen Go sind die Reaktionen der Kollegen auf das Projekt bis dato positiv. Wohl auch, „weil es ein Bewusstsein dafür gibt, dass wir Dinge verändern müssen, aber sich immer die Frage stellt, wie genau“.

Diese Fragestellung hat Chefin Cooper, der die Idee beim Abendessen gekommen sein soll, für das Haus ziemlich eindeutig beantwortet. „Redakteure und Reporter bekommen im Inkubator das Rüstzeug, um ’online first‘ zu denken“, sagt Go. Doch auch über unterschiedliche Formen des Storytelling für alle Vertriebswege soll es gehen. Bei der digitalen Ausgabe sieht es gut aus für den Chronicle. Mit täglich mehr als 218.000 ePapern gehören sie zu den erfolgreichsten in den USA.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.