US-Truppen in Afghanistan: Bagram-Knast wird afghanisch

Das US-Militär gibt sein größtes Gefängnis am Hindukusch in afghanische Hände, doch nicht alle Insassen. Der Streit über bestimmte Gefangene geht weiter.

Stolz zeigt ein US-Offizier im November 2009 den Gefängnisneubau in Bagram der Presse. Bild: reuters

BERLIN taz | Das US-Militär in Afghanistan hat am Montag das berüchtigte Militärgefängnis Bagram offiziell den afghanischen Behörden übergeben. Präsident Hamid Karsai bezeichnete die Übernahme des größten US-Gefängnisses in seinem Land als „Sieg der afghanischen Souveränität“. Die Übergabe gilt auch als wichtiger Schritt zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch die Afghanen in ihrem Land bis Ende 2014.

Die Übergabe betraf nach afghanischen Angaben 3.082 Gefangene mit mutmaßlichem Taliban- oder Al-Qaida-Hintergrund und damit längst nicht alle Insassen. Umstritten ist das Schicksal von rund 600 Personen, die das US-Militär seit März diesen Jahres gefangen nahm. Die USA behalten sich das Recht vor, Gefangene zunächst ein halbes Jahr selbst zu kontrollieren, die sie nach dem Abkommen über die Übergabe des Gefängnisses im März gemacht haben.

Doch Afghanistan besteht bei diesen Personen ebenfalls auf Übergabe. Unklar ist zudem die Zukunft von weiteren 50 ausländischen Gefangenen, meist Pakistanern und Iranern. Ihnen werden Verbindungen zu al-Qaida nachgesagt, doch waren sie nicht Teil des Abkommens.

Wegen anhaltender Unstimmigkeiten zwischen beiden Seiten wurden einige weitere Gefangene, deren Zahl laut unterschiedlichen Quellen mit 30 bis 50 angegeben wird, ebenfalls noch nicht übergeben. Kate Clark vom Afghanistan Analysts Network, einem unabhängigen Thinktank, vermutet, dass es um die Frage der Inhaftierung ohne Anklage geht. Dazu würden die USA die Afghanen drängen, was Letztere aber nicht wollen.

Amerikaner haben kein Vertrauen

Die USA trauen weder der Justiz noch dem Militär Afghanistans. Ersteres gilt als korrupt und Letzteres zum Teil von Taliban unterwandert oder US-feindlich. Deshalb wollen die USA die Gefangenen, die sie als Kriegsgefangene sehen, möglichst lange kontrollieren. Die Afghanen sind hingegen davon ausgegangen, dass den Amerikanern künftig verboten ist, im souveränen Afghanistan allein Gefangene zu machen.

Das vor einigen Jahren offiziell in „Detention Facility in Parwan Province“ umbenannte Gefängnis liegt direkt neben der US-Militärbasis Bagram am Rande der Shomali-Ebene 60 Kilometer nördlich von Kabul. Der einst von den Sowjets errichtete Stützpunkt ist die Drehscheibe des US-Militärs am Hindukusch.

Die Übergabe des Gefängnisses, das im Januar 2002 zunächst in einem Hangar eingerichtet wurde, forderte die afghanische Regierung seit Jahren. 2005 einigten sich beide Seiten erstmals darauf. Doch die USA hatten daran kein Interesse. US-Militärs und Geheimdienste nutzten Bagram nicht nur für Gefangene aus Afghanistan, sondern auch für solche aus dem Irak oder Südostasien, denen Kontakte zu al-Qaida unterstellt wurden. Sie wurden dort verhört, mutmaßlich gefoltert und später nach Guantánamo gebracht.

Unter der Regierung Obama, der angetreten war, das Lager Guantánamo zu schließen, wurde in Bagram für 60 Millionen Dollar ein neues Gefängnis gebaut. Dies sollte helfen, das Image vom „Guantánamo am Hindukusch“ loszuwerden. Zuletzt machte Bagram Schlagzeilen, als dort im Februar Koran-Schriften verbrannt wurden, die Gefangenen weggenommen worden waren, die sich darin versteckte Botschaften übermittelt haben sollen. Die Schändungen sorgten landesweit für antiamerikanische Proteste mit 30 Toten.

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