US-Raketenabwehr in Südkorea: Das erste Opfer ist der K-Pop

Die USA haben mit dem Aufbau eines umstrittenen Raketenabwehrsystems in Südkorea begonnen. China deutet das als Angriff.

Zwei Militärautos stehen vor einem Flugzeug in der Dunkelheit

Aufrüsten gegen Nordkorea – oder China? US-Militärfahrzeuge bringen THAAD zur Militärbasis Osan Foto: dpa

SEOUL taz | Nur Stunden nachdem Nordkorea am Montagmorgen vier Raketen ins Japanisches Meer abfeuerte, landete im benachbarten Südkorea heimlich ein Militärflugzeug auf der US-Basis Osan. Im Frachtraum führte es zwei Fahrzeuge, die auf den ersten Blick herkömmlichen LKWs ähneln. Tatsächlich jedoch transportierten diese das hoch umstrittene Raketenabwehrsystem THAAD, das derzeit auf einem ehemaligen Golfplatz 200 Kilometer südlich von Seoul installiert wird.

Aus Sicht des US-Militärs, das in Südkorea knapp 30.000 Soldaten stationiert hat, ist THAAD eine Art Wunderwaffe gegen eine wachsende atomare Bedrohung aus Pjöngjang: Das Abwehrsystem soll Kurz- und Mittelstreckenraketen während ihrer letzten Flugphase abfangen und vollständig vernichten können. Entwickelt wurde das System in den 90er Jahren als Maßnahme gegen irakische Scud-Raketen. Mit seiner hohen Reichweite und Flughöhe zählt THAAD zu den am besten entwickelten Raketenabwehrsystemen überhaupt.

Als die derzeit wegen einer Korruptionsaffäre entmachtete Präsidentin Park Geun-hye im Vorjahr die Pläne des US-Militärs bewilligte, spaltete sie die Bevölkerung in zwei etwa gleich große Lager: Die konservativen Wählerschichten begrüßen das Schutzschild gegen die nordkoreanische Bedrohung. Regelmäßig droht Diktator Kim Jong Un, die Hauptstadt Seoul „in ein Meer aus Feuer“ zu verwandeln.

Die oppositionelle Linke hingegen fürchtet ein militärisches Wettrüsten in der Region, das die Stationierung von THAAD nach sich ziehen könnte. Zudem sei man um die Beziehung zu China besorgt, das das Raketenabwehrsystem als Angriff auf seine nationale Souveränität wertet. Am Dienstag drohte China den USA mit nicht näher ausgeführten „Gegenmaßnahmen“. Washington und Seoul würden die Konsequenzen der Stationierung tragen, denn China werde die „eigenen Sicherheitsinteressen wahren“.

Kulturboykott gegen die Raketen

Schon länger kritisiert China die geplante Stationierung. „Wir müssen das Land nicht ausbluten lassen. Wir fügen ihm besser Schmerzen zu“, hieß es vergangene Woche in einem Kommentar der parteinahen Global Times. Was dies bedeutet, spüren koreanische Restaurant-, Karaoke- und Kaufhausbesitzer schon heute: die kaufkräftigen chinesischen Touristen – mit Abstand die größte Gruppe ausländischer Besucher – bleiben aus.

Nachdem das Pekinger Tourismusministerium einen Verkaufsstopp für Gruppenreisen nach Südkorea angeordnet hat, kündigte am Dienstag ein großes Theater in der Seouler Innenstadt an, zumindest „für die nächsten Monate“ schließen zu wollen – ein erstes, prominentes Opfer der chinesischen Vergeltungsaktionen.

Am vielleicht stärksten leidet derzeit der koreanische Kulturexport, der zu großen Teilen vom chinesischen Markt abhängig ist. In den vergangenen Wochen wurden immer wieder Konzerte von K-Pop Bands kurzfristig und landesweite Werbeverträge mit koreanischen Schauspielern abgesagt. Ein halbes Dutzend beliebter Fernsehserien wurden aus chinesischen Streamingdiensten gelöscht.

Dennoch sei es „sinnlos“ für Südkorea, eine offizielle Beschwerde einzureichen, schreibt der renommierte Korea-Forscher Andrei Lankov: „Südkoreanische Firmen sind es gewohnt, mit westlichen Staaten umzugehen, in denen Sanktionen transparent und vorhersehbar sind. China hingegen implementiert seine Sanktionen auf schleierhaften, heimlichen Wegen“.

Dies musste auch der südkoreanische Mischkonzern Lotte spüren, auf dessen ehemaligen Grundstück das Raketenabwehrsystem THAAD nun aufgebaut wird. Die Unternehmenshomepage wurde kurzfristig von chinesischen Hackern lahmgelegt und mehrere Supermarktfilialen „aus Brandschutzgründen“ geschlossen.

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