US-Präsident im Nahen Osten: „Obama ist sehr unbeliebt“

Israels Regierung kann Obama nicht leiden. Der ehemalige Botschafter Avi Primor erklärt, weshalb. Und warum die Iran-Sanktionen keine Atombombe verhindern.

Ein paar Mädchen, ein paar Flaggen, ein paar Blumen und schon passt die Stimmung wieder. Bild: dpa

taz: Herr Primor, nehmen die Israelis Obama übel, dass sie über vier Jahre warten mussten, bevor er ihr Land endlich besucht?

Avi Primor: Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verbreitet die Propaganda, dass Obama bisher nicht gekommen ist, weil er uns verachtet.

Obama ist also unbeliebt?

Sehr unbeliebt. Beliebt ist er nur im Friedenslager, das heute eine Minderheit darstellt. Im Zentrum ist man unsicher. Und im rechten Lager ist er verhasst. Dort hält man ihn für einen Araberfreund, unausgewogen und feindselig Israel gegenüber. Obwohl Präsident George W. Bush von Israel das Gleiche verlangt hat wie Obama – das Ende der Besatzung, das Ende des Siedlungsbaus und einen Palästinenserstaat –, hatte man von ihm trotzdem den Eindruck, dass er in uns verliebt war, während Obama Kälte ausstrahlt.

Sie halten diese Sicht für unberechtigt?

Ich halte sie für vollkommen falsch. Obama hat uns viel mehr in Schutz genommen, als die amerikanische Politik es nötig hatte, etwa im UN-Sicherheitsrat. Er hat die Palästinenser unter Druck gesetzt. Und auch bei der Militärhilfe war er großzügiger als jeder andere US-Präsident.

Es gibt auf beiden Seiten eine neue Regierung. John Kerry ist neuer US-Außenminister. Auf israelischer Seite sitzt Zipi Livni mit im Kabinett. Sorgt das für eine neue Dynamik?

Solange der US-Präsident nicht entschieden hat, in welche Richtung er gehen will, macht das keinen großen Unterschied. In Amerika sind die Minister Beamte des Präsidenten. Und Zipi Livni hat überhaupt kein Gewicht in der neuen israelischen Regierung. Diese Regierung ist ganz und gar eine Siedlerregierung.

Aber dieses Mal ist doch auch Jair Lapid und seine Zukunftspartei Teil der Regierung.

Lapid hat zwar Gewicht, aber er interessiert sich nicht für die Besatzung. Von ihm war lediglich das Lippenbekenntnis zu hören, dass man mit den Palästinensern verhandeln müsse. Dem stimmt ja selbst Netanjahu zu. Wenn wir Lapid abziehen, dann bleibt in der Regierung nur Netanjahus Likud-Partei, die stark nach rechts gerückt ist, Avigdor Liebermans rechtsextreme Partei „Unser Haus Israel“ und die Partei „Jüdisches Heim“ von Naftali Bennett, die eine reine Siedlerpartei ist.

Das amerikanische Interesse an dem Nahen Osten hat stark nachgelassen. Die New York Times spricht sogar davon, dass die Region für die US-Regierung nur noch ein Hobby sei, keine Notwendigkeit mehr. Wie bedrohlich ist das für Israel?

Obama kommt als Tourist, so lautet der Vorwurf. Aber das ist nur eine Möglichkeit. Die andere ist, dass er nun das durchsetzen will, wozu er in der ersten Amtszeit nicht die Kraft hatte. Wir sind ja vollkommen abhängig von Amerika. Ohne Amerika gäbe es schon längst UN-Sanktionen gegen Israel. Ohne Amerika wäre Palästina bereits Mitglied der Vereinten Nationen. Ohne Amerika hätten unsere Streitkräfte weniger Schlagkraft, denn unsere Ausrüstung, die modernsten Waffen, kommt ausschließlich aus Amerika, und zwar umsonst. Der US-Präsident hätte alle Druckmittel zur Verfügung, wenn er etwas erreichen wollte.

Was könnte ein amerikanischer Präsident denn tun?

Obama könnte zwei Dinge tun. Er könnte zum einen sagen: Ich als amerikanischer Präsident werde für die Sicherheit garantieren nach einem Abzug aus dem Westjordanland. Mit amerikanischen Truppen, vielleicht 10.000 Soldaten, denn das Westjordanland ist ja nur doppelt so groß wie das Saarland. Keine Beobachter, sondern eine Truppe, die, wenn nötig, auch kämpft und Sicherheit erzwingt.

Würde aus palästinensischer Sicht damit nicht nur einfach die israelische Besatzungsarmee durch eine amerikanische Besatzungsarmee abgelöst?

Die palästinensische Bevölkerung würde eine solche Truppe mit Begeisterung begrüßen. Es wäre eine Befreiungsarmee für sie. Natürlich kann das nur ein vorübergehender Zustand sein. Wenn die Truppe zu lange bleibt, dann wird auch sie zur Besatzungsarmee. Aber wenn die Amerikaner die Zeit nutzen, die palästinensischen Sicherheitskräfte und Behörden zu stärken, damit sie selbst diese Aufgabe übernehmen kann, dann sieht das anders aus. Wenn Obama das sagen würde im Einklang mit beiden Seiten, dann könnte er die israelische Mehrheit überzeugen.

Wie weit liegen Israel und Obama im Irankonflikt auseinander?

Weniger als vor einem Jahr. Obama übernimmt die Verantwortung und schließt keine Option aus. Mehr kann er nicht sagen. Er glaubt, die Iraner brauchen noch ein Jahr, um eine Atombombe zu entwickeln.

Sowohl in den USA als auch im Iran ist derzeit von direkten Gesprächen die Rede. Ist das bedrohlich für Israel?

Das wird sehr skeptisch gesehen. Man glaubt in Israel, dass die Iraner besonders schlaue Betrüger sind und der Westen so erpicht darauf ist, eine Vereinbarung zu treffen, dass er sofort in die Falle tappt. Die Israelis halten die westlichen Mächte gegenüber Iran für naiv. Ich denke aber, dass der Westen dazugelernt hat, wie man an den harten Sanktionen sehen kann.

Genützt haben aber auch diese harten Sanktionen nichts.

Ich glaube ohnehin, dass der Iran sich nicht von Atomwaffen abbringen lässt. Der Grund ist einfach: Der Iran will Atomwaffen, nicht nur das Regime, sondern auch die Regimegegner. Es ist eine Frage des nationalen Stolzes. Die iranische Wirtschaft kann noch so leiden, wenn der Wille da ist, werden sie irgendwann eine Bombe haben. Man kann es nur hinauszögern, aber nicht verhindern. Für mich ist deshalb die wichtige Frage nicht, ob, sondern in wessen Händen diese Atomwaffen sein werden: in den Händen der Ajatollahs oder einer westlich orientierten Regierung. Ersteres wäre eine große Gefahr, Letzteres beunruhigt mich weniger.

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