Türkische Fußballliga: Weltstars im Dorf

Ronaldinho, van der Vaart, Pirlo, Balotelli. Oder gleich einen Jogi Löw auf der Bank? In der Süper Lig galoppiert der Größenwahn.

Prominentester Fenerbahce-Neuzugang bisher: Diego Bild: dpa

Es brauchte nicht viel, um den Kragen zum Platzen, die Hutschnur zum Reißen, das Fass zum Überlaufen zu bringen bei Vahid Halilhodzic. Eine simple, wenn auch unangenehme 1:3-Testspielniederlage seines Klubs Trabzonspor im österreichischen Trainingslager gegen den FC Augsburg war es, die den bosnischen Trainer mindestens ungehalten stimmte. „Ich bin nicht nur traurig, sondern auch wütend“, gab der 61-Jährige danach zu Protokoll – und legte nach: „Ich will mit Trabzon um den Titel spielen. Dazu brauchen wir noch zehn neue Spieler. Wenn die nicht kommen, bin ich weg.“

Noch bei der WM in Brasilien hatte Halilhodzic die algerische Nationalmannschaft ins Achtelfinale geführt, scheiterte in der Verlängerung nur knapp an der deutschen Elf. Nach dem Ausscheiden der Nordafrikaner entschied sich Halihodzic für eine Rückkehr an die Schwarzmeerküste, wo er bereits 2005/06 an der Seitenlinie gestanden hatte. Der Ausbruch nun, kurz nach Dienstantritt und wenige Wochen vor der Ende August beginnenden neuen Saison der Süper Lig, dürfte allerdings eher Kalkül und nicht so sehr echter Ärger gewesen sein. Halilhodzic, der Trainerfuchs, weiß um den immensen Druck und die wolkenkratzerhohe Erwartungshaltung bei seinem neuen, alten Klub: Seit 1984 warten die ambitionierten Kicker in den weinrot-hellblauen Trikots auf die Meisterschaft.

Um das grundsätzliche Gefüge im türkischen Fußball zu verstehen, ist der Blick auf die Abschlusstabellen der letzten Jahre, ja, Jahrzehnte hilfreich: Die ewige Phalanx der „großen vier“ aus den drei Istanbuler Topklubs Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas sowie Trabzonspor teilte bisher 55 von 56 ausgespielten Meisterschafen mehr oder weniger gleichmäßig untereinander auf, einzig Bursaspor vermochte 2010 die Übermacht kurzzeitig zu durchbrechen.

Jene Phalanx bestimmt noch immer – wenn auch nicht mehr ganz so unangefochten – die Geschicke der Süper Lig, im Selbstverständnis der Platzhirsche wie der Öffentlichkeit führt in jeder Saison erneut der Weg zum Titel nur über den eigenen Klub. Regelmäßig treibt der Boulevard die eine oder andere Weltstar-Sau durchs Dorf, handelt große Namen als Neuzugänge, ganz gleich, wie abwegig. Liest sich schließlich gut. Zuletzt geisterte der seit zehn Jahren dahinvegetierende Ronaldinho durch die Gazetten. Er stünde kurz vor einer Einigung mit Fenerbahce, könne es sich vorstellen, für den Klub zu spielen, oder hätte wenigstens von ihm gehört. Für die erwartete 20. Meisterschaft wolle sich der Titelverteidiger schließlich schmücken.

Spieler von allerhöchstem Weltformat

Am Ende wurde es dann Ronaldinhos brasilianischer Landsmann Diego, ehemals Bremen, Turin, Wolfsburg, Madrid, Wolfsburg und Madrid, der sich die Zeit ohne internationalen Wettbewerb mit Millionen kompensieren lässt. Denn nach dem Manipulationsskandal von 2011 ist „Fener“ noch für ein Jahr von Champions League und Europa League ausgeschlossen. Unter den Besiktas-Berichterstattern erfreute sich zuletzt unter anderem Rafael van der Vaart, noch beim Hamburger SV unter Vertrag, großer Beliebtheit. Natürlich benötigt auch der kroatische Trainer Slaven Bilic neue Spieler von allerhöchstem Weltformat, um den Traum der „schwarzen Adler“ von der nächsten (und dann 14.) Meisterschaft seit 2009 zu erfüllen.

Größte Verpflichtung in der diesjährigen Sommerpause war allerdings bislang bloß der frühere Hoffenheimer Demba Ba, der dem FC Chelsea abgekauft werden konnte. „Namen wie Mario Balotelli oder Andrea Pirlo, die hier als Neuzugänge gehandelt werden, entsprechen nicht der Wahrheit“, musste zuletzt auch der neue Galatasaray-Trainer Cesare Prandelli zur Besonnenheit mahnen – eine mittelschwere Kulturrevolution in Istanbul. Realistischer scheint die Verpflichtung des Ex-Bremers Hugo Almeida für die „Löwen“. Der Portugiese wird wohl in den nächsten Tagen vorgestellt.

Prandelli folgte bei Galatasaray übrigens auf seinen Landsmann Roberto Mancini. „Ich habe eine gute Wahl mit diesem Verein getroffen“, schmeichelt der 56-jährige ehemalige Auswahltrainer Italiens seit Wochen in jedes Mikrofon. Aber der Erwartungsdruck ist immens: Alles andere als ein überragendes Double aus Meisterschaft und Pokal wäre eine Schmach. Wilden Gerüchten zufolge sollen auch der Schotte David Moyes und gar Bundesweltmeistertrainer Joachim Löw „ernsthafte Kandidaten“ gewesen sein. Na, dann.

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