Treffen europäischer Rechtspopulisten: Bombastische Selbstfeierei

Das Treffen europäischer Rechtsparteien in Koblenz gerät zur vorgezogenen Siegesfeier. Dort sehnen sie die „nächste Etappe“ ihrer Politik herbei.

Geert Wilders, Marcus Pretzell und Marine le Pen machen ein Selfie während Frauke Petry daneben steht

Geert Wilders (rechts) mit Marine le Pen (noch weiter rechts) und Frauke Petry (ganz rechts). Im Hintergrund: Marcus Pretzell Foto: ap

KOBLENZ taz | „2017, das Jahr der Patrioten“ – verkündeten dreisprachige Tafeln in der Rhein-Mosel-Halle. Das Treffen europäischer Rechtsparteien am Samstag in Koblenz stand ganz unter diesem Zeichen. Als „Wahlkampfauftakt“ hatte die organisierende EU-Fraktion der AfD die Versammlung angekündigt – wohl wissend, dass die Zugpferde der Bewegung, Marine Le Pen und Geert Wilders, bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden im Frühling beste Chancen haben, und auch die AfD im September in den Deutschen Bundestag einziehen dürfte.

Es war Le Pen, die die veränderten politischen Kräfteverhältnisse auf den Punkt brachte: „Wir gehen zur nächsten Etappe über“, rief die Präsidentin des Front National (FN) den knapp 1.000 Besuchern zu. „Wir geben uns nicht mehr damit zufrieden, eine Minderheit im EU-Parlament zu sein. Wir wollen die Mehrheit an den Urnen, bei jeder Wahl.“ Es war eine von vielen Ansagen, die das Publikum begeisterten. Aktueller Bezugsrahmen der Euphorie in der Halle war der Amtsantritt von Donald Trump, den kaum ein Redner ausließ. Geert Wilders, Chef der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV), verkündete einen „patriotischen Frühling“.

Nicht nur verbal wurde in Koblenz mit großer Kelle angerührt. Schon die Eröffnung geriet bombastisch, als zu dramatischem Chorgesang und Paukenschlägen die Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus einliefen, begleitet von den wehenden Fahnen ihrer Herkunftsländer. Mit riesigen, in die Höhe gereckten Pappschildern bezeugten die Besucher ihre Unterstützung.

Inhaltlich geriet die EU zur Hauptzielscheibe. „Vom ­Moment an, in dem wir das Gefängnis der EU verlassen, werden Kultur und Identität wiedergeboren“, beschwor Le Pen das Morgenrot einer neuen nationalstaatlichen Blütezeit. Die Ablehnung Brüssels ist seit jeher einer der Aspekte, die europäische Rechtspopulisten verbindet. Sie ist nicht zuletzt auch das Fundament, auf dem Le Pen und Wilders 2015 die Fraktion „Europe of Nations and Freedom“ (ENF) im EU-Parlament gründeten. Weitere Kernpunkte sind Einwanderungsbegrenzung, Euro-Austritt und die Bekämpfung der vermeintlichen Islamisierung.

Wachsender Optimismus

Im Wesentlichen hielten sich die Redner von Koblenz an diese Agenda – mit jeweils persönlichen Noten, ganz analog zum allgemeinen Credo, im angestrebten „Europa der Vaterländer“ gebe es Raum für eigene Identität statt Gleichmacherei. Geert Wilders richtete den Fokus auf islamistischen Terrorismus, der FPÖ-Abgeordnete Harald Vilimsky agitierte gegen ein „korruptes Establishment im Dienste der Finanzwirtschaft“ und die Gegendemonstranten in Koblenz, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner geregelten Arbeit nachgehen“.

5.000 Menschen, darunter viele Familien, demonstrierten dort in der Kälte. Unter dem Motto „Koblenz bleibt bunt“ hatten Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Verbände zu der Veranstaltung aufgerufen. „Wer in der Demokratie schläft, kann in der Diktatur aufwachen“, hieß es auf einem von vielen Plakaten. Als Höhepunkt eines Protestzugs, der an der Halle der Rechten vorbeizog, sangen die Demonstranten gemeinsam mit Musikern der Rheinischen Philharmonie Koblenz Schillers „Ode an die Freude“ nach der Melodie von Beethoven.

Zwei Erkenntnisse bleiben angesichts des Treffens der Rechtspopulisten: deren Optimismus ist bedeutend gewachsen. Das dröhnende Pathos der „Befreiung vom europäischen Joch“ ist eine Sache, die realistischen Chancen auf Wahlsiege von Front National, FPÖ oder PVV eine andere. In deren Sog befinden sich auch lange kriselnde Rechtsparteien wie der Vlaams Belang wieder im Aufwind. Und die europäische ENF-Fraktion hat mit der gastgebenden AfD die Lücke im größten Land Europas geschlossen.

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