Transparency-Korruptionsbarometer 2010: Bürger halten Politik für käuflich

Parteien und Wirtschaft sind anfällig für Bestechung, glauben die Deutschen. Vertrauen haben sie laut einer Studie von Transparency International in Polizei und Justiz.

Westerwelle und Merkel mit der taz-Wikileaks-Karikatur. Bild: dpa

Siebzig Prozent der Deutschen glauben, dass die Korruption in Deutschland in den vergangenen drei Jahren zugenommen hat. Vor allem politische Parteien und die Privatwirtschaft stehen unter Korruptionsverdacht. Zu diesem Ergebnis kommt das Korruptionsbarometer 2010 von Transparency International (TI). Für die weltweite repräsentative Erhebung wurden in Deutschland 1.000 Personen befragt.

"Das mangelnde Vertrauen in die Parteien ist eine bedenkliche Entwicklung und sollte für diese ein Warnsignal sein", sagte Edda Müller, Deutschland-Chefin von TI in Berlin. Fälle von schwerem Lobbyismus und Parteispendenaffären seien sicher im Hinterkopf der Befragten. Kein Wunder, gab es in der jüngsten Vergangenheit doch etliche derartiger Vorfälle.

Im Januar etwa wurde bekannt, dass der Unternehmer August von Finck, Inhaber von 14 Mövenpick-Hotels, der FDP im Herbst 2009 über eine Million Euro spendete. Als eine der ersten Maßnahmen nach Regierungsübernahme senkte Schwarz-Gelb die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent.

Wenn ein Unternehmer mit Jürgen Rüttgers, dem ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, speisen wollte, musste er dafür einen fünfstelligen Betrag an die Partei spenden. Dies war offenbar jahrelang gängige Praxis auf Parteitagen und Kongressen und wurde im Februar 2010 bekannt.

Aber auch der sogenannte Drehtüreffekt, wenn also Spitzenpolitiker nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik nach kurzer Zeit wichtige Posten in der Privatwirtschaft erhalten, erhöhte die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Politik, so Müller. Roland Koch (CDU) etwa, der einen beinahe fliegenden Wechsel vom Posten des hessischen Ministerpräsidenten hin zum Vorstandschef des Baukonzerns Bilfinger Berger hinlegte, für den er zuvor ein gutes Wort bei der Vergabe eines Millionenauftrags einlegte.

"Die Bürger unterscheiden nicht zwischen schweren Formen des Lobbyismus und strafrechtlich relevanten Formen der Korruption", sagte Müller. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf die Gesetzgebung spielte daher ebenso eine Rolle wie die Verlängerung der Atomlaufzeiten nach den Geheimverhandlungen zwischen Regierung und Atomkonzernen.

Polizei und Justiz halten die befragten Deutschen dagegen kaum für korruptionsanfällig. In vielen Ländern stehen aber gerade diese Institutionen beim Korruptionsverdacht an der Spitze.

Während die Sensibilisierung für Korruption sehr hoch ist, gaben nur zwei Prozent der Deutschen an, im vergangenen Jahr Schmiergeld gezahlt zu haben.

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