Tod der „Financial Times Deutschland“: „How to spend it“ war einmal

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird eine überregionale Tageszeitung eingestellt. Damit endet eine Ära.

Altpapier: „Financial Times Deutschland“. Bild: dapd

HAMBURG taz | Die Financial Times Deutschland (FTD) erscheint zum letzten Mal am 7. Dezember. Das hat Chefredakteur Steffen Klusmann am Donnerstagmorgen in der Redaktionskonferenz der Zeitung in Hamburg bestätigt. Der Aufsichtsrat von Gruner + Jahr (G + J) hat damit den Plänen des Vorstands zugestimmt. Sprecher des Verlags wollten dies allerdings zunächst nicht bestätigen.

Laut diesen Plänen, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht hatte, sollen insgesamt rund 330 Mitarbeiter der G + J Wirtschaftsmedien AG ihren Arbeitsplatz verlieren, davon etwa 250 aus dem Redaktionsbereich. Weitere 20 Beschäftigte sollten beim Magazin Capital weiterbeschäftigt werden, die Titel Börse Online und Impulse sollen verkauft werden.

Damit wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine überregionale Tageszeitung eingestellt. Ob die Frankfurter Rundschau, die in der vergangenen Woche Insolvenz anmeldete, vom Markt verschwindet, ist dagegen noch nicht klar.

Die vom Aus der FTD betroffenen Redakteure warteten am Donnerstagabend aber weiterhin darauf, dass ihnen gegenüber ein G+J-Hierarch direkt Stellung bezieht. Die neue Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel, die einst die FTD-Hochglanzbeilage How to spend it konzipierte, wird erst am heutigen Freitag zu den Mitarbeitern sprechen.

„Sie wird dem Land fehlen“

Der Abgesang auf die im Jahr 2000 gegründete FTD ist dennoch schon in vollem Gange: „Sie wird dem Land fehlen“, schrieb der ehemalige Chefredakteur Christoph Keese in einem Gastbeitrag auf der Internetseite des Konkurrenten Handelsblatt. Und auch ein anderer ehemaliger FTD-Chef, Wolfgang Münchau, konstatierte in seiner Kolumne bei Spiegel Online: Die FTD „brachte einen neuen Stil in eine allzu angepasste Presselandschaft von Wirtschaftsjournalisten, denen es oft an kritischer Distanz fehlte“.

Der Zufall wollte es, dass am Dienstag, als Chefredakteur Klusmann das nahende Ende im eigenen Blatt erstmals aufgriff, noch einmal diese Stärke der FTD deutlich wurde: Löhne hoch, und zwar um etwa fünf Prozent pro Jahr in den nächsten zehn Jahren, forderte ein Text an diesem Tag auf der Kommentarseite.

Der Artikel stammte vom Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck, der zudem kritisierte, dass die hiesigen Unternehmen „seit Jahren“ ihre „extrem hohen Gewinne aus dem Exportgeschäft lieber zur Bank getragen“ und nicht genug investiert hätten, „um die Inlandsnachfrage hoch zu halten“. Es sei, so Flassbeck, offensichtlich: „Ohne die Droge Exportüberschuss hat Deutschland kein plausibles Wirtschaftsmodell.“

Zweifel im Mainstream

Derlei Kritik am neoliberalen Wirtschaftsmodell setzte die FTD deutlich ab vom Handelsblatt und den Wirtschaftsressorts etablierter Zeitungen und Wochentitel. Es sei „ein beachtliches Verdienst“ der FTD gewesen, mit Beiträgen wie denen von Flassbeck „Zweifel an dem Glauben in den neoliberalen Mainstream gesät zu haben – obwohl man den im Blatt natürlich auch finden konnte“, sagte Albrecht Müller der taz.

Müller war einst Redenschreiber des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers Karl Schiller, er ist heute Herausgeber der Website Nachdenkseiten, die den hiesigen Wirtschaftsjournalismus beobachtet. Erbaulich fanden solche „Zweifel“ aber nur 41.600 Abonnenten und kaum noch ein Gelegenheitsleser. Im Einzelverkauf setzte die FTD im dritten Quartal 2012 nur 3.100 Exemplare ab.

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