Tierschutz im Zirkus: „Nur der Bund kann das regeln“

Der Circus Voyage erhitzt die Gemüter, weil er auf Wildtierdarbietungen setzt. Deren bundesweites Verbot hatte die Bremer Abgeordnete Birgit Menz jüngst beantragt

Tierschützer protestieren vor dem „Circus Voyage“ in Bremen. Foto: Sven Fussel

BREMEN taz | taz: Frau Menz, im Bundestag und im Bundesrat gibt es eine rot-rot-grüne Mehrheit für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus. Warum also sind Sie mit ihrem Antrag soeben gescheitert?

Birgit Menz: Weil es noch immer eine Regierungsmehrheit von SPD und CDU gibt, die Anträge der Linkspartei einfach ablehnt. Ich vermute mal, die SPD hat einfach nur aus Koalitionsräson gegen ein solches Verbot gestimmt. Dabei nimmt die Bundesregierung für sich in Anspruch, beim Tierschutz international eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Die Linke fordert, dass die Giraffen, Zebras und Nilpferde der Zirkusse in öffentlich finanzierten Zoos unterkommen sollen. Haben sie es da besser?

Manchmal schon. Die Giraffen müssen da keine Kunststückchen vorführen. Die Zoos versuchen, die Tiere zu bespaßen, damit sie nicht vor Langeweile umkommen – aber nicht in der Art und Weise, wie Zirkusse das tun. Und der stressige Transport bleibt den Tieren auch erspart.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag behauptet: Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, es gebe zwischen Zoos und Zirkussen keine signifikanten Unterschiede, misst man die Stresshormone der Tiere.

Solche Studien kann man auslegen, wie man es gerade möchte. Es gibt einfach keinen vernünftigen Grund, ein Tier im Zirkus zu halten, schon gar kein Wildtier, das in freier Wildbahn leben müsste. Und was bringen wir den Kindern bei, die so etwas im Zirkus sehen? Dass ein Nilpferd Sachen macht, die es in der normalen Umwelt nie tun würde?

55, Buchhändlerin, vertritt seit 2015 die Bremer Linkspartei im Bundestag.

Kann man solche Tiere im Zoo überhaupt artgerecht halten?

Besser als im Zirkus, wo sie der Belustigung dienen.

Wirbeltiere dürfen nur in einem Behältnis transportiert werden, in dem sie in „aufrechter Haltung stehen“ können.

Zweifel, dass die Giraffen des Circus Voyage zwischen Oldenburg und Bremen diesen Platz hätten, übermittelten Tierschützer mit der Bitte um Kontrolle an die Polizei Bremen – telefonisch, dann per Mail und, durch Beobachtungen gestützt, in der Nacht zum 1. August per Handy.

Laut Polizei „löste der eingehende Anruf richtigerweise keinen Soforteinsatz aus“: Es sei ja kein Notfall gewesen.

Die Durchführung „einer aktuellen Kontrollmaßnahme“ sei dagegen „rechtlich für die Polizei nicht möglich: Die Fahrzeuge befinden sich auf nicht öffentlichen Flächen“.

Die Zirkusse sagen, die Wildtiere sind dort Repräsentanten ihrer Artgenossen.

Irgendeinen Vorwand brauchen sie ja – sie wählen die Tiere einfach danach aus, welche von ihnen die meisten BesucherInnen anlocken.

Sind Elefanten im Zirkus überhaupt noch Wildtiere? In freier Wildbahn würden sie ja kaum überleben.

Das stimmt. Aber wenn wir das jetzt nicht stoppen, werden immer neue Tiere gezüchtet oder angekauft! Da müssen wir Grenzen setzen. Und in der EU haben mittlerweile 18 Staaten die Haltung von Wildtieren im Zirkus verboten oder stark eingeschränkt.

Was läuft in diesen Ländern anders als bei uns?

Die haben schon ein anderes Bewusstsein, dem Tier gegenüber.

Würde so ein Verbot die vom Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Zirkusbetreiber nicht eklatant beschränken?

Dieser Einwand ist nicht stichhaltig, denn selbst die Bundesregierung wertet ein solches Verbot allenfalls als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit – und ein solcher kann durch „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“ durchaus gerechtfertigt sein. Wir wollen ja nicht den Zirkus als solchen verbieten, oder dem Artisten seine Arbeit. Aber der kann selbst entscheiden, das Tier nicht. Und der Zirkus muss sich dann eben was anderes überlegen – wie andere Betriebe auch. Das müsste er ja genauso, wenn seine Einnahmen sinken, weil das Bewusstsein der Menschen für die Tiere wächst und Shows wie die des Circus Voyage gemieden werden. Andere Zirkusse kommen ja auch ohne Wildtiere aus.

Der Circus Voyage sagt, seine Tierhaltung wird streng überwacht. Stimmt das möglicherweise nicht?

Das kann ich nicht beurteilen.

Die Bremische Bürgerschaft hat schon 2011 ein Wildtierverbot auf öffentlichen Flächen beschlossen. Warum greift das nicht?

Daraus wurde nie ein Gesetz: Die Zirkusse würden dagegen klagen und recht bekommen. Nur der Bund kann dass gesetzlich regeln, sagen die Gerichte. Ich gehe aber davon aus, dass es diesen Antrag auf ein Verbot von Wildtieren im Zirkus in der nächsten Legislaturperiode wieder geben wird. Man muss da weiter dran bleiben. Die Zirkusse, die mit Wildtieren heute Profit machen, werden das so lange tun, wie sie das gesetzlich können.

Der Circus Voyage findet: Den Hunden und Katzen im Tierheim geht es schlechter.

Das würde ich so nicht stehen lassen. Das Bremer Tierheim bemüht sich sehr, dass es den Tieren gut geht und so schnell wie möglich zu vermitteln. Das kann man nicht vergleichen. Die Hunde und Katzen im Tierheim werden nicht vorgeführt.

Die Tiere in den Zoos aber schon.

Es geht hier um Zirkusse! Man darf das nicht vermischen – dass wir auch über Zoos reden müssen, ist eine andere Frage. Der Zoo hat auch eine ganz andere Aufgabe.

Die Grünen wollen nach einem Wildtierverbot auch die Zirkusbetreiber in Mithaftung nehmen. Die Linke nicht. Warum?

Wie man das Verbot konkret ausgestaltet, ist noch mal eine andere Sache. Jetzt geht es ja erst mal darum, grundsätzlich etwas zu verändern.

Warum ist Tierschutz eigentlich ein linkes Projekt?

Weil es ein nachhaltiges Projekt ist: Es geht darum, wie man Leben achtet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.