Thüringens Landeschefin Lieberknecht: In der Defensive

Die bislang populäre Christine Lieberknecht könnte über einen Untreueverdacht stolpern. Ihre Immunität ist die Ministerpräsidentin schon los.

Muss sich rechtfertigen: Christine Lieberknecht. Bild: dpa

DRESDEN taz | Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat am Dienstag im Regierungskabinett und vor der Presse ihr Vorgehen beim Ausscheiden des bisherigen Regierungssprechers Peter Zimmermann verteidigt.

Sie habe die Staatskanzlei und die Öffentlichkeitsarbeit umbauen wollen und Zimmermann bereits im Dezember 2012 von dieser Absicht informiert. Da er aber nicht selbst gekündigt habe, sei ihr nach Einholung von Gutachten nur der Weg geblieben, Zimmermann in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

Damit standen dem politischen Beamten bis zum Rentenalter Pensionsansprüche von mindestens 1.435 Euro monatlich zu, obschon er Ende Juni als Geschäftsführer zum Leipziger Internet-Anbieter Unister wechselte.

Diese Doppelversorgung für den 38-jährigen Zimmermann sorgte für ein heftiges öffentliches Echo und für Attacken auch aus den Reihen des Koalitionspartners SPD. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt beim Thüringer Landtag deswegen die Aufhebung der Immunität Lieberknechts beantragt, die auch Abgeordnete der CDU-Fraktion ist. Diese Aufhebung ist erforderlich, um ein Vorprüfungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue einleiten zu können. Die Thüringer Grünen hatten die Ministerpräsidentin bereits im Juli angezeigt.

Ohne Angabe von Gründen

Stolpern könnte die bislang durchaus populäre und in einem verbindlichen Stil regierende Ministerpräsidentin möglicherweise darüber, dass sie sich über Bedenken in der eigenen Staatskanzlei hinwegsetzte. Das Thüringer Beamtengesetz ermöglicht ihr zwar Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand ohne Angabe von Gründen.

Die dafür notwendige Zustimmung der Landesregierung erfolgte aber offenbar zwischen Tür und Angel, ohne dass sich auch die SPD-Minister zunächst über die Tragweite im Klaren waren.

Lieberknechts Vorgehen sei trotz der Ermessensspielräume „gesetzlich eindeutig nicht gedeckt“ gewesen, behauptete der Staatsrechtler Joachim Wieland in einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen. Voraussetzung für eine solche Versetzung wäre ein gestörtes Vertrauensverhältnis gewesen.

Materiell kein Schaden

Das Verhältnis zwischen Zimmermann und der Ministerpräsidentin galt aber als gut. Lieberknecht hätte ihren Sprecher auffordern müssen, selbst um seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nachzusuchen. So aber habe sie „den Rechtsstaat mit Füßen getreten“, sagte Wieland. Der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt spricht hingegen nur von einer „Eselei“ Lieberknechts.

Materiell ist dem Freistaat Thüringen kein Schaden entstanden. Denn Zimmermann holte angesichts des verheerenden Echos Ende Juli das Versäumte nach und bat um seine Entlassung aus dem Amt des Staatssekretärs. Er wolle die Ministerpräsidentin nicht beschädigen und verbreiteten „Halb- und Unwahrheiten“ den Boden entziehen, schrieb der ehemalige Regierungssprecher.

Die Aufhebung der Immunität von Ministerpräsidenten beim Verdacht auf eine Straftat ist selten, aber nicht ungewöhnlich, sofern sie auch ein Abgeordnetenmandat besaßen. Lothar Späth beispielsweise, Exministerpräsident von Baden-Württemberg, war bis zur „Traumschiff-Affäre“ 1991 zugleich Landtagsabgeordneter.

Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage im sogenannten Müll-Untersuchungsausschuss. Hier muss die Staatsanwaltschaft aber den Landtagspräsidenten nur informieren.

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