Terrorvorwurf nach Akademikerball: Auf einer Stufe mit al-Qaida

Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gegner des Akademikerballs im Januar. Der Vorwurf: Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Protest gegen den Wiener Akademikerball: So sehen Terroristen aus. Bild: imago/Future Image

BERLIN taz | Jedes Jahr im Januar schmeißen sich Burschenschafter und Mitglieder der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in Schale und legen auf dem „Ball des Wiener Kooperationsrings" (WKR) einen Walzer aufs Parkett. Auf dem Wiener Akademikerball sind sie unter sich, die stolzen rechten Burschen und Patriarchatsfans mit ihrem nationalistischen Gehabe. Linke Gruppen demonstrieren seit Jahren gegen die Veranstaltung. Nun wird gegen sie mit dem Vorwurfs der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ ermittelt.

Es sei das erste mal, dass gegen eine linke Gruppe in Österreich mit diesem Vorwurf ermittelt werde, sagt Anne F.* von NOWKR gegenüber taz.de. Das Bündnis hat die Proteste gegen den Ball organisiert. Sie will ihren echten Namen aus gegebenem Anlass lieber nicht in der Zeitung sehen. „Der Paragraf 278b StGB wird normalerweise bei Gruppen wie al-Qaida oder dem IS angewendet. Dass man uns so was jetzt unterstellt, hat uns natürlich schockiert.“

Nina Bussek, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, bestätigte gegenüber taz.de, dass die Ermittlungen inzwischen unter Paragraf 278b StGB mit dem Vorwurf der terroristischen Vereinigung laufen und sich gegen zwei Personen richten. Sollten sie verurteilt werden, droht ihnen bis zu 15 Jahren Haft.

Viel tun können die Aktivisten nicht. Inzwischen ist zwar öffentlich, dass gegen zwei Personen ermittelt wird – um wen es sich dabei handelt, wissen sie aber nicht. „Wir wissen auch nur, was die Staatsanwaltschaft offiziell verlautbart", sagt F. „Und das ist sehr wenig." Die WKR-Gegner setzen deswegen auf Öffentlichkeit. „Sobald wir Informationen haben, machen wir sie öffentlich“, sagt F. Sie hofft, dadurch genug Druck aufbauen zu können und das Verfahren eingestellt wird.

Mehr Kompetenzen für Verfassungsschutz

Bereits am 30. Januar, einen Tag vor dem Ball, berichtete die Nachrichtenseite derStandard.at, die Polizei habe nach Paragraf 278 StGB wegen des „Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung“ Anzeige gegen Aktivisten aus dem Umfeld der Anti-Akademikerball-Proteste erstattet. Diese sei „gegen unbekannte Täter“ erfolgt.

Eingereicht wurde die Anzeige vom österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Das Amt ist anders als in Deutschland eine polizeiliche Behörde. Gerade hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) jedoch eine Gesetzesnovelle vorgelegt, die dem Verfassungsschutz geheimdienstliche Kompetenzen zugestehen soll.

Bereits im Jahr 2015 hatte die Wiener Polizei schon im Vorfeld des Balls die NOWKR-Demonstration mit der Begründung untersagt, das Bündnis habe in seinem Aufruf „Für ein Ende der Gewalt“ zu Gewalt gegen Ballbesucher aufgefordert. Und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte es sich nicht nehmen lassen, die WKR-Gegner als „Stiefeltruppen der SA (Sozialistische Antifa)“ zu bezeichnen.

In der Presseerklärung von NOWKR heißt es, das Bündnis sei bestürzt „angesichts der aktuellen Versuche von Polizei und FPÖ, antifaschistische Proteste gegen die extreme Rechte zu delegitimieren und kriminalisieren.“ Im Vorjahr hatte der Fall des deutschen Studenten Josef S. für Aufsehen gesorgt. Dieser war für die Proteste nach Wien gereist. Anschließend wurde er wegen Landfriedensbruchs, schwerer Sachbeschädigung und versuchter schwerer Körperverletzung zu 12 Monaten Haft verurteilt – in einem Verfahren, dessen Beweislage mehr als dünn war.

Einschüchterung von Aktivisten

NOWKR hat sich entschieden, medial zu reagieren, obwohl sich das Bündnis nach dem diesjährigen Ball offiziell aufgelöst hat. Man habe die erklärten Ziele zum Großteil erreicht, sagte F. Der WKR sei zum Thema einer gesamtgesellschaftlichen Debatte geworden. Nun wolle man sich verstärkt Themen wie Rassismus und Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft zuwenden. „Aber diese Vorwürfe konnten wir nicht ignorieren.“

Auch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) verurteilt das Ermittlungsverfahren. Einschüchterung dürfe kein Mittel gegen zivilgesellschaftliche Bündnisse und politisch engagierte Menschen werden, heißt es in einer Erklärung auf der Webseite der Organisation. „Der systematische Missbrauch des Strafgesetzes muss ein Ende haben, es muss daher dringend reformiert werden", sagt Julia Freidl aus dem Vorsitzendenteam der ÖH.

In der Vergangenheit wurden der Paragraf 278 und Absatz 278a StGB unter anderem in mehrere Jahre andauernden Verfahren gegen Tierschutzaktivisten angewandt. Die von 2007 bis 2011 durchgeführten Ermittlungen erfolgten mit Hilfe umfassender Überwachungsmaßnahmen, auch eine verdeckte Ermittlerin wurde eingesetzt. Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen, kritisierte damals, die Maßnahmen seien ohne ausreichende Rechtsgrundlage durchgeführt worden. Am Ende des Prozesses wurden alle Beschuldigten in sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen.

*Name von der Redaktion geändert

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