Syrische Armee in Aleppo: Letzte Versorgungsroute gekappt

Eine islamistische Rebellentruppe ist nun von Versorgungswegen abgeschnitten. Ein Luftangriff tötete außerdem den Anführer eines Rebellenbündnisses.

Eine Gruppe von Soldaten mit Waffen winkt und scheint erfreut

Soldaten der syrischen Armee im Norden Aleppos Foto: dpa

BEIRUT afp | Während die US-Regierung Russland zu einem „echten“ Waffenstillstand in Syrien drängt, hat die syrische Armee in der umkämpften Großstadt Aleppo den Rebellen ein strategisch wichtiges Viertel entrissen. Die Regierungstruppen eroberten am Donnerstag den Stadtteil Ramussa und kappten damit die einzige Versorgungsroute in die von Rebellen gehaltenen Stadtteile, wie Aktivisten berichteten. US-Verteidigungsminister Ashton Carter warnte Moskau derweil, die Geduld der USA sei „nicht unbegrenzt“.

Die Armee und verbündete Einheiten hätten „nach schweren Gefechten mit Rebellen, islamistischen Kämpfern und Dschihadistengruppen die volle Kontrolle über den Stadtteil Ramussa übernommen“, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, die ihre von unabhängiger Seite kaum überprüfbaren Informationen von Ärzten und Aktivisten in Syrien erhält. Damit sind nun wieder alle Versorgungswege in die Viertel der Rebellen im Osten der Stadt blockiert.

Die Bewohner seien auf internationale Hilfe angewiesen, erklärte die Beobachtungsstelle. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, waren alle Supermärkte in den östlichen Stadtteilen geschlossen, da ihre Regale leer waren. Straßenhändler boten nur noch Gemüse an, das vor Ort angebaut wurde. Die Lage in der einstigen Wirtschafts- und Kulturmetropole spitzt sich damit erneut weiter zu.

Islamistische Rebellenkämpfer hatten vor einem Monat Ramussa erobert und damit den Belagerungsring um die Rebellenviertel durchbrochen. Doch bereits am Sonntag kesselten die Regierungstruppen den Osten erneut ein und schnitten ihn wieder komplett von der Außenwelt ab. Laut der Beobachtungsstelle wurde die syrische Armee durch irakische und iranische Milizen sowie die russische Luftwaffe unterstützt.

Kommandant der „Armee der Eroberung“ getötet

Nach Angaben von Islamisten ist darüber hinaus der Anführer des größten syrischen Rebellenbündnisses bei einem Luftangriff getötet worden. Abu Omar Sarakeb, Kommandeur der sogenannten Armee der Eroberung, sei einem Luftangriff in der Provinz Aleppo im Norden Syriens zum Opfer gefallen, teilte die Fateh-al-Scham-Front, die frühere Al-Nusra-Front, am Donnerstag mit.

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurde bei dem Bombardement während eines Treffens der Führungsriege der „Armee der Eroberung“ auch der Kommandant Muslem al Schami getötet. Es sei unklar, ob es sich um einen Angriff der syrischen oder der russischen Luftwaffe oder um eine Attacke der US-geführten Allianz gehandelt habe, erklärte die Beobachtungsstelle.

Die „Armee der Eroberung“, der auch verschiedene islamistische Milizen angehören, kontrolliert die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens und ist auch am Kampf um die Großstadt Aleppo beteiligt.

Verhandlungen über Waffenstillstand laufen

US-Verteidigungsminister Carter drängte Russland, das den syrischen Machthaber Baschar al-Assad seit einem Jahr massiv mit Luftangriffen unterstützt, rasch in einen Waffenstillstand einzuwilligen. Es brauche „eine echte Einstellung der Kämpfe, nicht was wir gesehen haben, was eine teilweise Einstellung der Kämpfe war“, sagte Carter dem Rundfunksender BBC. „Unsere Geduld ist nicht unbegrenzt.“

Von russischer Seite hieß es, Außenminister Sergej Lawrow werde in Genf zu einem „persönlichen Treffen“ mit seinem US-Kollegen John Kerry zusammenkommen, um über den geplanten Waffenstillstand zu sprechen. Ein Sprecher Kerrys bestätigte dies jedoch nicht und sagte, die Verhandlungen liefen noch. Carter warnte, es sei „noch ein weiter Weg“, bevor die beiden Rivalen eine endgültige Vereinbarung erreichen würden.

Die USA und Russland sind sich einig, dass eine Vereinbarung eine dauerhafte Waffenruhe, humanitären Zugang zur notleidenden Bevölkerung sowie die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen umfassen soll. Ende Februar hatten die Konfliktparteien auf Vermittlung der USA und Russlands eine Waffenruhe vereinbart, die jedoch nie gänzlich eingehalten worden war.

Seitdem ist der Konflikt durch die militärische Intervention der türkischen Armee in Nordsyrien gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) sowie kurdische Milizen noch komplizierter geworden. Am Donnerstag meldete die Beobachtungsstelle, durch türkischen Artilleriebeschuss seien in der Region Afrin sechs kurdische Kämpfer sowie mehrere Zivilisten getötet worden.

Ein türkischer Regierungsvertreter teilte mit, die Türkei habe mit dem Bau einer unterirdischen Stromleitung in die syrische Grenzstadt Dscharablus begonnen. Ziel sei es, in der Ortschaft, die die türkische Armee am 24. August von der IS-Miliz befreit hatte, ein normales Leben zu ermöglichen.

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