Studie zum Klimaschutz: 1,5-Grad-Grenze unrealistisch

Ein Stopp der Erderhitzung bei gefährlichen, aber noch kontrollierbaren 1,5 Grad? Mangels sozialem Wandel nicht mehr plausibel, meinen Forscher:innen.

Eine Person wird von Polizisten weggetragen

Nicht mal in Ansätzen auf dem 1,5-Grad-Pfad: Klimaprotest im vergangenen Januar in Lützerath Foto: Wolfgang Rattay/reuters

BERLIN dpa/taz | Das Klimaziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ist nach Ansicht von Hamburger Wis­sen­schaft­le­r:in­nen kaum realistisch. „Eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ist derzeit nicht plausibel“, heißt es in einer Mitteilung der Universität Hamburg zum „Hamburg Climate Futures Outlook 2023“.

Das fatale Fazit ziehen die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen nicht, weil der Stopp der Erderhitzung physikalisch nicht mehr möglich sei. Sie attestieren eher politische und soziale Blockaden als solche technologischer Art.

Laut dem Weltklimarat IPCC müssen sich die weltweiten CO2-Emissionen für das 1,5-Grad-Ziel bis 2030 praktisch halbieren, um bis 2050 bei null zu liegen. Das gilt seit Jahren ohne nennenswerten Fortschritt – und das Zeitfenster für das drastische Vorhaben schließt sich. Jenseits der 1,5 Grad Erderhitzung werden katastrophale Folgen der Klimakrise noch wahrscheinlicher, etwa weitere Probleme bei der Welternährung oder lebensgefährliches Wetter. Aktuell hat sich die Erde schon um 1,2 Grad aufgeheizt.

Für die am Mittwoch vorgestellte Studie haben rund 60 Sozial- und Na­tur­wis­sen­schaft­le­r:in­nen in einem interdisziplinären Team zehn gesellschaftliche, klimarelevante Faktoren untersucht. Dazu zählen die UN-Klimapolitik, die Gesetzgebung zum Klimaschutz, Proteste, soziale Bewegungen, transnationale Initiativen, Klagen vor Gericht, Konsumverhalten, der Abzug von Investitionen aus der fossilen Wirtschaft, die Wissensproduktion und die Medien.

Es sei einiges in Bewegung gekommen, heißt es. Doch vor allem das Verhalten von Kon­su­men­t:in­nen und Unternehmen bremse den weltweit dringend notwendigen Klimaschutz. „Die notwendige umfassende Dekarbonisierung verläuft einfach zu langsam“, erklärte Anita Engels, die Leiterin des Exzellenzclusters „Klima, Klimawandel und Gesellschaft“ (Cliccs). Dekarbonisierung bedeutet die Reduktion von Kohlendioxidemissionen.

Medienberichterstattung wird besser

Auch die Medien verhalten sich nach Ansicht der Au­to­r:in­nen ambivalent: Mal unterstützten sie das Ziel einer CO2-neutralen Gesellschaft, mal unterminierten sie es. Engels sieht dabei den professionellen Journalismus eher positiv.

Anders als in den USA verzichteten Medien in Europa zunehmend auf ein fälschliches Ausbalancieren zwischen der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft und randständigen Gegenstimmen. In sozialen Medien fänden sich dagegen viele Fake News, vor allem Autoren aus dem rechten Spektrum verbreiteten unzutreffende Berichte, so die Soziologin.

Entscheidend für eine Eindämmung der Erderwärmung ist nach Auffassung der Wis­sen­schaft­le­r:in­nen der soziale Wandel. „Wir sind nicht mal in Ansätzen auf dem richtigen Pfad“, sagte Engels.

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