Studie über Beiräte: Beiräten fehlt Kompetenz

Beiräte sollen mitreden, aber im Konfliktfall nicht mitentscheiden. Eine Studie zeigt: Auch nach dem neuen Beirätegesetz aus 2010 ist das so.

Beiräte, wie hier in Blumenthal, kritisieren die Senatsressorts für eine mangelhafte Zusammenarbeit. Bild: Jean-Philipp Baeck

BREMEN taz | Der Bremer Senat ist zufrieden: Im Jahre 2010 wurde das Beirätegesetz novelliert, die Stadtteil-Vertretungen sollten mehr Einfluss erhalten. Das Institut für Politikwissenschaft der Bremer Uni wurde beauftragt, nach ein paar Jahren die Beteiligten zu befragen. Nun wurde deren Studie vorgelegt und kommt – „nach Auffassung des Senats“ – zu dem Ergebnis, dass das „Ziel, die Rechte der Beiräte zu stärken, im Vergleich zur vorherigen Rechtsgrundlage, erreicht worden“ ist. Es gebe aber „Optimierungsbedarf“. Das ist wohl untertrieben.

Denn wer sich die Mühe macht, das Gutachten bis zur Seite 105 zu lesen, findet dort den Hinweis auf „erheblichen Unmut“ der Beiräte über die Situation – auch nach der Gesetzesnovellierung: Die Beiräte klagen über „mangelnde Kooperationsbereitschaft der senatorischen Behörden und zuständigen Stellen“. Die versprochenen „Stadtteilbudget“ stünden „nur auf dem Papier“ und „die Hoffnung, über die Planungskonferenzen (frühzeitig) an den stadtteilbezogenen Planungen der senatorischen Behörden gleichberechtigt beteiligt zu werden, hätte sich bisher nicht erfüllt“. Schließlich würden „Informations-, Beteiligungs- und Entscheidungsrechte der Beiräte immer wieder ignoriert oder sogar ausgehebelt“. Nur in einem stimmen die Beiräte mit dem Senat überein: Früher war das nicht besser.

Dass es in Bremen „Beiräte“ gibt, war von Anfang an ein Kompromiss: Die Nationalsozialisten hatten 1939 die ehemals selbstständigen Landgemeinden Hemelingen, Burglesum, Vegesack, Blumenthal, Osterholz, Oberneuland, Borgfeld, Lehesterdeich, Blockland, Arsten, Habenhausen, Huchting, Strom, Lankenau und Seehausen eingemeindet. Zunächst waren die örtlichen Gemeindeverwaltungen der Stadtgemeinde Bremen nur „kommissarisch“ unterstellt worden. 1946 wurden dann die Gemeindeverwaltungen in die Stadtverwaltung integriert, für die „Außengemeinden“ wurden als Kompensation die Ortsämter erfunden.

Als die Bremer CDU 1947 „eine Direktwahl der Beiräte, eine demokratische Wahl auch der Bezirksbürgermeister durch die gewählte Körperschaft, die Öffentlichkeit der Beiratssitzungen und das Recht des Beirats, über die Haushaltsmittel selbst zu verfügen“, forderte, lehnte die SPD das strikt ab. Die SPD, die in Bremen die Mehrheit hatte, fürchtete um ihre zentrale Machtposition. In den heutigen Innenstadtbereichen wurden damals nicht einmal Ortsämter und Beiräte eingeführt, das passierte erst 1971.

Immerhin haben sich die Fraktionen der Bürgerschaft 2010 dann auf eine Erweiterung der Rechte der Beiräte gegenüber der Verwaltung verständigt. In der Verwaltung selbst stößt das offenbar auf wenig Gegenliebe: Ein Behördenvertreter sagte etwa den Gutachtern, dass Beiräte nicht ausreichend „zwischen Beiratsangelegenheiten und gesamtstädtischen Angelegenheiten“ unterscheiden könnten. Dies sei in der fehlenden Kompetenz der Beiräte begründet, denn „Beiräte sind mit komplizierten Fragestellungen überfordert.“

Über die Hälfte der befragten Beiräte gab an, dass ihnen nicht genügend Rechte eingeräumt werden. Kritisiert wurde der „schleppende Informationsfluss“, „Überflutung mit E-Mails“, fehlende juristische Beratung. Insbesondere die Kooperation mit dem Ressort des (grünen) Bausenators Joachim Lohse führt immer wieder zu Konflikten. An Baugenehmigungs-Verfahren sei man nur „beteiligt“, auf die Entscheidungen hätten Beiräte dann „so gut wie keinen Einfluss“, wird beklagt. Insbesondere das Amt für Straßen und Verkehr, mit dem man über Tempo-30- Zonen, die Gestaltung von Straßenkreuzungen und die Einrichtung von Fahrradstraßen reden darf, lege die Regelungen über die Rechte der Beiräte „relativ willkürlich aus“.

Angesichts der geringen Ausweitung der Kompetenzen ist nicht verwunderlich, dass auch im Hinblick auf das Ziel „Bürgerbeteiligung“ kaum nennenswerte Fortschritte zu verzeichnen sind. Auffällig sei, gab ein Beiratsvertreter an, dass „es leider immer nur dieselben Personen sind, die sich engagieren“.

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