Studentenproteste in Indien: Massenproteste und Aufruhr an Unis

Nach der Festnahme eines Studentenführers solidarisieren sich Studis und Dozenten. Sie wollen die Meinungsfreiheit verteidigen.

Protestierende neben einem Zaun, der von Polizisten eingedrückt wird

Polizisten hindern Hindunationalisten, gegen protestierende Studierende an der Jawaharlal Nehru Universität in Delhi vorzugehen. Foto: Reuters

BERLIN taz | Indien erlebt derzeit die heftigsten Studentenproteste seit 25 Jahren. Am Dienstag solidarisierte sich das Lehrpersonal an der renommierten Jawaharlal-Nehru-Universität (JNU) in der Hauptstadt Delhi mit dem Streik Studierender und rief ebenfalls zum Ausstand auf. Dieser soll erst aufhören, wenn der JNU-Studentenführer Kaihanya Kumar wieder frei ist.

Solidaritätsproteste gab es bereits an 18 indischen Universitäten. Die Proteste hatten am Sonntag an der JNU begonnen. Am Freitag war Kumar unter dem Vorwurf der Aufwiegelung festgenommen worden. Die Höchststrafe nach dem noch aus der Kolonialzeit stammenden Paragrafen, der schon gegen Mahatma Ghandi angewendet worden ist, ist lebenslängliche Haft.

Am Dienstag wurde zudem der Professor SAR Geelani von der Universität Delhi unter dem gleichen Vorwurf festgenommen. Kumar hatte am 9. Februar auf dem JNU-Campus an einer Demonstration gegen die in Indien geltende Todesstrafe teilgenommen. Dabei soll er laut Regierung „antiindische Slogans“ gerufen haben.

Der angeblich von Geelani organisierte Protest fand kurz nach dem dritten Jahrestag der Hinrichtung Afzal Gurus statt, der 2001 den Terrorangriff auf Indiens Parlament organisiert haben soll. Doch gab es Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Gurus Verfahren. Überdies beteuerte dieser wiederholt seine Unschuld.

Kritik wird als „anti-indisch“ denunziert

Den Protest denunzierte die hindunationalistische Regierung als „antiindisch“ und die Demonstranten als Handlanger Pakistans. Innenminister Rajnath Singh will an Kumar, der die JNU-Studentenvereinigung führt, offenbar ein Exempel statuieren. Wer antiindische Parolen rufe, werde „nicht geduldet und nicht verschont“, twitterte Singh.

Nach Meinung vieler Beobachter hatte Kumar nur von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Innenminister Singh büßte seine Glaubwürdigkeit ein, als er einen angeblichen Tweet des pakistanischen Islamistenführers Hafiz Saeed zitierte, worin dieser den Protest unterstützt hatte. Doch der Tweet war eine Fälschung.

Rahila Parwee, Studentenführerin

„Die Regierung will nicht, dass Studie­rende mitreden“

Schon am Montag waren radikale Anhänger der Regierung vor die JNU gezogen und hatten gefordert, Verräter aufzuhängen. Ein BJP-Abgeordneter forderte gar die Schließung der linken JNU. „Die Regierung will nicht, dass Studierende mitreden“, erklärte Rahila Parwee von der All-Indischen Studierendenvereinigung laut Reuters. Die Regierung wolle „diktieren, was Studierende denken, verstehen und sagen“.

Schläger prügeln auf Studierende bei Gericht ein

Zum Eklat kam es am Montag, als ein Gericht eine Anhörung über Kumars Fall durchführte. Studierende, Dozenten und Journalisten, die dort warteten, wurden plötzlich von Anwälten und in Anwaltsroben verkleideten BJP-Aktivisten angegriffen und verprügelt. Unter den Schlägern war auch ein lokaler BJP-Abgeordneter. Die Polizei schritt nicht ein. Die oppositionelle Kongresspartei nannte den Angriff einen „Akt des Faschismus“.

Längst war klar, dass es nicht mehr nur um studentischen Protest geht, sondern um das politische Klima und damit um die Frage, wieweit die Regierung in der indischen Demokratie abweichende Meinungen dulden muss.

Damit reiht sich der Aufruhr der Studierenden und Dozenten ein in die Reihe der Proteste von Schriftstellern und Intellektuellen vom Ende letzten Jahres. Damals hatten viele aus Protest gegen das von BJP-Hitzköpfen vergiftete politische Klima ihre nationalen Auszeichnungen zurückgegeben.

Mit dem deutlichen Wahlsieg von Narendra Modi und seiner BJP vor knapp zwei Jahren fühlen sich seitdem Hindu-Hardliner ermutigt, gegen Andersdenkende vorzugehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.