Streit um den Camembert: Ist doch alles Käse

Den Original-Camembert soll es künftig auch ohne Rohmilch geben. Das regt eine Reihe von Sterneköchen auf und löst einen Shitstorm aus.

Verschiedene Käse liegen übereinandergestapelt. Darunter auch Camembert

Käse ist nicht gleich Käse Foto: Jez Timms / Unsplash

Es ist der gute, alte Grundkonflikt: Panscher gegen Puristen. In Frankreich soll jetzt ein in der Käserei traditionell verbreitetes Reinheitsgebot fallen und den klassischen Weichkäse aus der französischen Provinz auch mit pasteurisierter Milch herstellbar machen. Ein Frevel!, sagen also die einen – besonders in der französischen Szenekochszene rüsten sich prominente Namen bereits zum Shitstorm – eine lange fällige Vereinfachung der Produktionsprozesse, finden hingegen die anderen.

Tatsächlich ist das mit dem Käse nicht so einfach. Den Camembert zum Beispiel gibt es schon länger in zwei Kategorien – als Camembert de Normandie AOC genießt er den Rang einer geschützten Herkunftsbezeichnung und darf bislang nur in der Normandie und ausschließlich mit Rohmilch hergestellt werden. Ist der Käse aber nur ein gewöhnlicher Camembert ganz ohne Herkunftsnachweis, darf er eh schon daherkommen wie er möchte.

Darüber hinaus ist es mit der marienhaften Reinheit sowieso so eine Sache. Die ursprünglichen Fettbomben aus dem normannischen Kaff waren nämlich zuerst klein und bräunlich. Und ähnlich wie beim Bier, dessen Deutsches Reinheitsgebot im Zuge der Globalisierung noch im ausgehenden letzten Jahrtausend fiel, ist auch beim Käse die Reinheit eher eine Schimäre als die reine Wirklichkeit. Wie viele ungenannte Zutaten sorgten denn bislang für den nussigen Geschmack dieses mit Edelschimmel bearbeiteten Weichkäses? Weiß man das wirklich so genau? Respektive will man das überhaupt wissen?

Allein das Wort Edelschimmel ist doch recht eigentlich ein Oxymoron, also ein Widerspruch in sich. Ganz davon abgesehen, dass es in Bayern gute Sitte ist, die sterblichen Überreste eines „überfälligen“ (!) Camemberts mit reichlich Gewürzen und Zwiebeln zu versehen, um das scheußliche Ammoniak-Aroma zu übertünchen, und das ganze dann als „Obazda“ zu servieren. Man isst also Schimmel, schlecht gewordene, geronnene Milch, die dann noch einmal schlecht wird.

Es ist doch wie bei anderen mit reichlich Identitätspolitik überladenen Kulturprodukten unserer Zeit: So etwas wie die „reine Lehre“, wie sie von Puristen stets angemahnt wird, gibt es im Grunde gar nicht

Es ist doch wie bei anderen mit reichlich Identitätspolitik überladenen Kulturprodukten unserer Zeit: So etwas wie die „reine Lehre“, wie sie von Puristen stets angemahnt wird, gibt es im Grunde gar nicht. Alles ist schon irgendwie eine Vermischung (insofern könnte man Pferdezüchtern auch Rassismus vorwerfen, aber das ist ein anderes Thema). Und nur so entsteht auch Neues: Indem man das bereits Vorhandene mit etwas anderem mischt.

Das müssten auch Starköchinnen wie Anne-Sophie Pic oder Sébastien Bras wissen. Die behaupten zwar, der Camembert de Normandie werde seinen Charakter verlieren und eine „vulgäre weiche Paste ohne Geschmack“ werden. Und doch steckt hinter dem Wunsch nach Rohmilch nicht viel mehr als eine überkommene Marketingstrategie, die den fülligen Sattmacher am Ende auch nicht besser macht. Und schließlich wäre es an den Spitzenköchen, eben jenen Rohmilchvariante weiter zu verbreiten – als Möglichkeit unter vielen. Alles andere ist doch Käse.

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