Streit um Umzug des Altonaer Bahnhofs: Der Streit um die Gleise

Der Altonaer Bahnhof soll einem Neubaugebiet weichen und nach Diebsteich wandern. Die Pläne sind umstritten. Nun will die Stadt mit den Bürgern reden. Ein Überblick.

Der Bahnhof Altona aus der Vogelperspektive.

Lieber mehr Wohnungen als Gleise? Der Bahnhof Altona zum gegenwärtigen Zeitpunkt Foto: DB AG

Was soll in Diebsteich gebaut werden?

Ein neuer Bahnhof und zwei Gewerbehochhäuser sind geplant. Den Bahnhof will die Deutsche Bahn bauen, die Hochhäuser die Stadt. Sie hat dazu Land von der Bahn gekauft, weil diese sich gegen ein größeres Bahnhofsgebäude sperrte. 30 Millionen Euro sollen die Hochhäuser kosten, 360 Millionen Euro der Bahnhof. Ein Teil der Summe für den Bahnhofsbau schießt der Bund zu.

Was bedeutet das für Diebs­teich?

Mit dem Bahnhof kommen viele Fahrgäste und viel Verkehr. Die Hochhäuser werden mehr Gewerbe mit sich bringen. Vor allem aber hat die Stadt eine sogenannte städtebauliche Entwicklungsplanung begonnen. Das heißt, dass Land neu ausgewiesen und aus Brachland, öffentlichem Raum oder Flächen für Kleingewerbe lukratives Bauland werden könnten. Die Handelskammer hat deshalb vor einem Jahr Vorschläge für weitere neue Gewerbeimmobilien in Diebsteich vorgelegt. Die lehnte die Stadt ab. Was genau beschlossen ist und was noch kommen könnte – darüber will die Behörde für Stadtentwicklung mit den Bürgern reden.

Was wird aus dem Bahnhof?

Die Gleise für die Fernbahnen und die Bahnsteige werden abgerissen. Der Grund: Nahe dem Altonaer Bahnhof entstehen rund 3.500 neue Wohnungen. Auch eine Schule und eine Gewerbezeile mit Supermarkt sind geplant. Für die Neubauten soll die Holstenbrauerei Platz machen und nach Hausbruch umziehen, anderes Gewerbe musste weichen. Größtenteils entsteht das Neubaugebiet aber auf Gleisland. Aus dem Bahnhof in Altona wird eine S-Bahnstation. Der Fernverkehr, auch Regionalbahnen und Autoreisezüge, fallen weg. Was aus dem Busbahnhof und den Läden im Bahnhof wird, ist unklar.

Wer ist dafür?

Der Wandel in Altona und Diebs­teich ist politisch gewollt: Die SPD wünscht sich mehr Wohnungen und weniger Gewerbe. In Hamburg setzte die CDU-Regierung das Projekt auf die politische Agenda. Die Grünen unterstützen es bis heute. Die Bahn hat der Stadt die Umsetzung vertraglich zugesichert. Der Konzern hatte die Pläne schon länger in der Schublade: Er plante einst, viele Kopfbahnhöfe in deutschen Innenstädten zurückzubauen.

Am 7. Mai um 19 Uhr lädt die Stadtentwicklungsbehörde BürgerInnen in die Altonaer Fabrik ein, um sie zu informieren. Oberbaudirektor Franz Josef Höing wird dort sein.

Wer ist dagegen?

Verschiedene Vereine und Initiativen wie der Verkehrsclub Deutschland, das Langenfelder Signal und vor allem die Bürgerinitiative Prellbock. Immer wieder rufen sie zu Aktionen auf. Aktuell sammeln sie Spenden für einen Rechtsstreit mit der Bahn: Sie ziehen gegen den Planfeststellungsbeschluss vor das Verwaltungsgericht. Von den Parteien hat sich nur die Linkspartei offen gegen die Pläne gestellt. Die CDU ruderte teilweise zurück und äußerte Kritik im Rahmen einer Anfrage an die Bürgerschaft.

Was ärgert die Gegner?

In Altona gehörte das Land für die Neubauten ursprünglich der Deutschen Bahn und damit dem Bund. Anders als jenes für die Hochhäuser in Diebsteich verkaufte die Bahn es aber nicht der Stadt, sondern bündelte es in dem Unternehmen Aurelis und veräußerte es dann an den Baukonzern Hochtief. Der verkaufte es weiter. Nach der Erschließung des Grundes durch Fernwärme von Vattenfall und der Umwidmung zu Bauland stieg der Quadratmeterpreis um ein Vielfaches. Da kaufte es die Stadt für den sozialen Wohnungsbau teuer zurück. Des Weiteren werfen die Gegner Stadt und Bahn vor, bei der Barrierefreiheit zu sparen, Kostensteigerungen zu verschweigen, Verkehrsprobleme sowie Umsatzeinbußen beim Gewerbe kleinzureden und wichtige Dokumente nicht oder nur geschwärzt einsehbar zu machen. Linke und Umweltschützer werfen den beteiligten Unternehmen zudem Greenwashing bei der Erschließung mit Öko-Energie und beim energieeffizienten Bauen vor.

Könnte das Projekt scheitern?

Ein wichtiger Hebel ist die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung: Das Eisenbahnbundesamt sah in den Plänen der Bahn keinen nennenswerten Neubau von Gleisen. Und nur bei Projekten, die neue Strecken beinhalten, ist die Prüfung vorgeschrieben. Sieht ein Gericht das anders, droht ein Baustopp. Um das zu erreichen, haben die Projektgegner um die Initiative Prellbock und den Verkehrsclub Deutschland den Anwalt Rüdiger Nebelsieck beauftragt. Er hat im April drei Klagen und einen Eilantrag beim Hamburger Verwaltungsgericht eingereicht. Für einen Baustopp ist der Eilantrag maßgeblich. Über ihn soll noch im Sommer entschieden werden.

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