Streit um Immobilie in Göttingen: Aktivisten besetzen leeres Wohnheim

In Göttingen ist ein Studierendenwohnheim besetzt worden. Die Stadt, die einen Verkauf des Gebäudes plant, schweigt offiziell noch dazu.

Haus mit Schriftzug "Häuser sind zum Wohnen da"

Wohnpolitischer Protest in Göttingen hat Tradition: Archivbild einer Hausbesetzung im Jahr 2013 Foto: dpa

GÖTTINGEN taz | Rund 70 Aktivisten haben am Montagvormittag ein leer stehendes Studierendenwohnheim im vornehmen Göttinger Ostviertel besetzt. Das Gebäude gehört der Stadt und wurde bis vor kurzem vom Goethe-Institut genutzt. Das Institut zieht in ein neues Haus um, das Wohnheim wurde schon vor mehreren Wochen geräumt. Die Stadtverwaltung möchte den gesamten Gebäudekomplex veräußern und bereitet schon seit einem Jahr den Verkauf vor.

In die Fenster des Wohnheims hängten die Besetzer Plakate und Transparente. „Wohnraum statt Leerstand“ war darauf zu lesen sowie „Häuser denen, die sie brauchen“. Andere Stoffbänder forderten preisgünstigen Wohnraum für Studierende, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge. „Massenunterkünfte machen krank“ hieß es etwa – ein Hinweis auf die in der Stadt umstrittene Sammelunterkunft für Geflüchtete im Gewerbegebiet „Siekhöhe“. Vor dem Haus wurden ein Info-Pavillon und eine kleine Theke aufgestellt. Unterstützer brachten Brötchen, Kuchen, Kaffee und Tee.

Das besetzte Gebäude verfüge über sieben abgeschlossene, voll ausgestattete Wohneinheiten mit Bad und Küche sowie30 Einzel- und Doppelzimmer mit gemeinschaftlichen Sanitäranlagen, hieß es in einer Erklärung der Besetzer. Es handele sich bei dem Wohnheim „um einen von zahlreichen Fällen, in denen die Stadt Göttingen mit ihrer verfehlten, auf Privatisierung und Investoren setzenden Wohnungspolitik verhindert, dass bezahlbarer Wohnraum für Geflüchtete und andere Wohnungssuchende geschaffen wird“.

„Es ist untragbar, dass noch immer Flüchtlinge in Not- und Massenunterkünften leben müssen, während die Stadt etliche eigene Immobilien leer stehen und ungenutzt lässt“, schimpfte ein Besetzer. „Würde die Stadt ihre Verkaufspläne aufgeben, hätte sie hier sofort die Gelegenheit, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen.“ Er verwies darauf, dass weitere Wohnmöglichkeiten im Hauptgebäude zur Verfügung stünden, sobald das Goethe-Institut ganz ausgezogen sei.

Ein Besetzer

„Es ist untragbar, dass Flüchtlinge in Massenunterkünften leben müssen, während die Stadt etliche eigene Immobilien leer stehen lässt“

Die Gruppe „Basisdemokratische Linke“ rief zur Unterstützung der Besetzung auf. Die Aktion ziele darauf ab, „den Verkaufsprozess zu stoppen und den Verbleib in öffentlichem Eigentum sowie die dauerhafte Nutzung als Sozialwohnungen durchzusetzen“. Zuvor hatte bereits die Linke in Göttingen den geplanten Verkauf des Anwesens kritisiert. Es handele sich um eine „kurzsichtige einmalige Schönung der Einnahmeposition“. Dabei werde nicht bedacht, dass in der Folge bei der Anmietung dringend benötigter Gebäude und Wohnungen „horrende Mieten“ zu zahlen seien.

Am Montagmittag ließen sich dann auch Vertreter der Stadtverwaltung vor dem Gebäude blicken. Sie wiesen in Gesprächen mit den Besetzern darauf hin, dass die Besetzung unrechtmäßig sei. Eine offizielle Stellungnahme der Kommune gab es zunächst aber nicht.

Zuletzt hatten in Göttingen junge Leute im November 2015 das zuvor sechs Jahre leer stehende Gewerkschaftshaus besetzt. Sie richteten große Teile des Gebäudes wohnlich her, schafften Möbel herbei, installierten Duschen und verlegten elektrische Leitungen. Mehrere Dutzend wohnungslose Menschen, zumeist Geflüchtete, fanden dort vorübergehend oder länger Unterkunft.

Unterstützer schauten fast jede Nacht zum Göttinger Bahnhof, um gestrandete Asylbewerber mit Tee zu versorgen oder zum Übernachten in das Haus einzuladen. Zugleich forderten die Besetzer die gewerkschaftseigene Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft (VTG) als Besitzer der Immobilie zu Verhandlungen auf. Diese endeten schließlich erfolgreich: Vor einem Jahr kauften die Besetzer das mehrstöckige Gebäude.

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