Streit um Flugobjekte: Der Himmel voller Drohnen

Flugzeuge, Vögel, Drohnen: Es ist viel los in der Luft. Deshalb will der Verkehrsminister die Gesetze überarbeiten. Das sorgt für Ärger.

Eine Drohne neben einer alten Laterne vor blauem Himmel

Drohne in freier Wildbahn. Auch viele ihrer Vorfahren sind noch unterwegs – Modellflugzeuge Foto: reuters

BERLIN taz | Am Abendhimmel schwebt eine orangefarbene Drohne. Sie sieht aus wie eine einfach gezeichnete Blume: ein Kreis, aus dem halbrunde Blütenblätter wachsen. Surrend gleitet sie nach unten und landet sanft auf dem Rasen. Nur Minuten später jagen vier kleine, insektenartige Kopter mit 150 Stundenkilometern durch einen Hindernisparcours. Während einer der Flitzer hart am Boden aufprallt und mucksmäuschenstill liegenbleibt, geht langsam die Sonne unter.

Zu dem Treffen der Gruppe Dronemasters im brandenburgischen Wildau sind diesmal rund 60 Menschen gekommen. Sie wollen sich die Flugshow ansehen und über Neues aus der Welt der unbemannten Luftfahrzeuge (UAVs) reden: technische Details, Forschung, Drohnenrennen. Es ist ein wenig wie eine Reise in die Zukunft, dabei ist vieles, über das gesprochen wird, längst Gegenwart. Doch die Gesetzeslage ist unklar – das sorgt für Ärger.

In Deutschland sind rund 400.000 private und gewerbliche Drohnen im Umlauf. Im Elektroladen ist zwischen 20 und 7000 Euro alles zu haben – kaufen darf sie jeder. Gleichzeitig häufen sich die Berichte über Beinah-Kollisionen mit Menschen oder Vögeln, während Videos im Internet riskante Manöver am Flughafen oder über Wohngebieten aus Drohnensicht zeigen. Deshalb hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angekündigt, die Luftverkehrsordnung zu ändern. Unter anderem sollen private Drohnenflüge in einer Höhe von mehr als 100 Metern verboten werden.

Der lauteste Widerstand kommt von der Initiative Pro Modellflug. Eine Petition des Deutschen Modellfliegerverbands (DMFV) haben bisher knapp 70.000 Personen und mehr als 120 Unternehmen unterzeichnet. Die neue Gesetzgebung, heißt es darin, könne dazu führen, dass dem Modellflug in seiner jetzigen Form das Aus droht. Denn die 100-Meter-Regel soll pauschal für alle UAVs gelten – also für Modellflugzeuge und für Drohnen.

Der Präsident des Verbands, Hans Schwägerl, hat sich deshalb Anfang Mai mit politischen Beamten des Verkehrsministeriums getroffen. „Sicherheit ist wichtig, aber das darf unser Hobby nicht beeinträchtigen“, sagt er. Wenn bei 100 Metern Ende wäre, könnten manche Sparten wie Segelhochflug nicht mehr ausgeübt werden. Doch ihn stört noch etwas anders. Mit der neuen Luftverkehrsordnung werde kaum Neues geregelt, meint er. Stattdessen würden bereits bestehende Gesetze oft schlicht nicht angewendet und kontrolliert.

Vieles ist schon gesetzlich geregelt

Wer ein unbemanntes Luftfahrzeug privat nutzt und das Gerät nicht mehr als fünf Kilogramm wiegt, darf ohne Erlaubnis bis zu 30 Meter aufsteigen, bis 25 Kilogramm höchstens 50 Meter. Für alles, was darüber hinausgeht, müssen die Luftfahrtbehörden der Länder eine Genehmigung ausstellen; grundsätzlich darf nur in Sichtweite und ohne die Privatsphäre anderer zu stören geflogen werden. Das gilt genauso für Sportwettbewerbe auf dem Flugplatz wie für Menschen, die ihr Fluggerät im Park oder im Garten aufsteigen lassen.

Rund um Flughäfen ist das noch strenger geregelt. In den dort festgelegten Kontrollzonen dürfen UAVs gar nicht geflogen werden, ab einem Abstand von eineinhalb Kilometern muss eine Freigabe bei der Flugsicherung beantragt werden. Trotzdem hat die Deutsche Flugsicherung im vergangenen Jahr zwölf Drohnen in der Nähe von Flugzeugen registriert, in diesem waren es bisher drei. Das Problem: Für die Radare der Flughafentowers sind sie unsichtbar. Sie sind zu klein und bieten keine Fläche, um die Wellen zu reflektieren – und der Lotse hat keine Möglichkeit, den Piloten frühzeitig zu informieren.

Dem Piloten-Verband Vereinigung Cockpit reicht der neue Gesetzesvorschlag deshalb nicht. Fast täglich würden mittlerweile gefährliche Annäherungen von Drohnen an bemannte Flugzeuge gemeldet, heißt es dort. Gerade unter 150 Metern sei die Gefahr eines Zusammenstoßes hoch: Bei Rettungs- und Polizeieinsätzen mit dem Hubschrauber etwa helfe die Höhenbegrenzung nicht. Ein Flugverbot über Menschenansammlungen, Unfällen und anderen Einsatzorten der Polizei will das Verkehrsministerium aber erlassen.

Mit Modellfliegern hat es solche Probleme bisher nicht gegeben, weder an Unfallorten noch an Flughäfen. Deshalb ist Minister Dobrindt bereit, mit der Initiative Pro Modellflug über die 100-Meter-Regel zu verhandeln. Auf die Frage, ob Drohnenpiloten grundsätzlich risikofreudiger seien, antwortet Flugmodell-Präsident Schwägerl verhalten. Es sei eben eine neue Mode, die sich weniger über das Vereinswesen organisiere. Zudem seien die neuen Geräte reizvoll, weil sie einfacher zu steuern sind als Flugmodelle und aufgrund der Kameras neue Möglichkeiten bieten. Er klingt ein bisschen wehmütig. Begrüßenswert sei aber am Vorstoß des Verkehrsministers, alle unbemannten Luftfahrzeuge ab 500 Gramm künftig kennzeichnen zu lassen.

Das sieht man beim Treffen der Dronemasters ähnlich. Die Flugregeln kennen hier alle. Einige haben früher selbst Modellflugzeuge zusammengeschraubt, heute bauen und fliegen sie Drohnen. Sie haben auch die Petition des DMFV unterschrieben. „Kopter ist Kopter“, heißt es, der Unterschied sei gar nicht so groß. In einem Punkt jedoch sind sich alle einig: Wichtiger als die Flughöhe zu begrenzen sei es für den Gesetzgeber, Standards für die technische Ausstattung festzulegen und diese auch durchzusetzen.

Technisch geht noch einiges – theoretisch

Was in diesem Bereich alles möglich ist, weiß Arno Fischer. Er forscht an der Technischen Hochschule Brandenburg an Drohnen, die autonom fliegen können. Zur Debatte um die Sicherheit im Luftraum sagt er: „Die Lage ist übel.“ Dabei seien technische Lösungen durchaus vorhanden. Bedarf sieht er vor allem bei leichten Transpondern, also Funkgeräten, über die Flugzeuge nicht nur untereinander, sondern auch mit Drohnen über Höhen und Routen kommunizieren können. „Dass die Drohne sicher neben dem Flugzeug fliegt, ist dann ein realistisches Szenario“, sagt er. Für sinnvoll hält er auch eine standardmäßig eingebaute Blackbox: Dann könnte abgelesen werden, was bei einem Absturz oder einem Zusammenstoß wirklich passiert ist.

Bisher ist es allerdings allein den Herstellern überlassen, was davon tatsächlich eingebaut wird. Einige von ihnen sorgen zwar dafür, dass die Fluggeräte nicht in Flugverbotszonen gesteuert werden können. Dann blockiert die Drohne den Weiterflug von allein. Doch selbst in teureren Modellen ist das Kartenmaterial manchmal veraltet. Das müsse sich ändern, meint Fischer. Den Menschen hinter dem Gerät schenkt er nur wenig Vertrauen. Die meisten Unfälle von Piloten seien menschlichem Fehlverhalten geschuldet, sagt er: „Drohnen sind sicherer, wenn sie sich komplett autonom verhalten“.

Bis es soweit ist, werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Es ist wünschenswert, dass die Frage nach der Überwachung durch Kamera-Drohnen schneller geklärt wird. Das gilt auch für die Regeln im Luftraum – auch wenn sich manche Meldung bei der Deutschen Flugsicherheit als falscher Alarm entpuppt hat. Ähnlich wie bei dem vermeintlichen Unfall zwischen einer Drohne und einem Flugzeug in London im April, bei dem sich zwei Wochen später herausstellte: Es war wahrscheinlich nur eine Plastiktüte.

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