Streit über indischen Kinofilm: Menschen oder Mörder?

Kurz vor der geplanten Premiere hat die indische Regierung einen Film über Ex-Regierungschefin Indira Gandhi gestoppt. Er könne zu Gewalt führen.

Im Februar 2014 fordern Demonstranten in Jammu, dass die Kongresspartei für die Sikh-Verfolgung von 1984 Verantwortung übernimmt. Bild: ap

BERLIN/NEU DELHI taz/afp | Die indische Regierung hat die Ausstrahlung eines Kinofilms über die Ermordung der früheren Regierungschefin Indira Gandhi blockiert. Die Premiere von „Kaum De Heere“ war für den 22. August geplant. Der Film basiert auf den Leben der zwei Leibwächter, die Ministerpräsidentin Indira Ghandi am 31. Oktober 1984 in ihrem Garten erschossen.

Als „wahre Geschichte“ wird der Film im Trailer proklamiert und genau das stört die Kritiker. Einige Sequenzen des Films seien sehr anstößig und könnten zu Spannungen in Nordindien führen, sagte ein Sprecher des Informationsministeriums der Times of India. Dem Regisseur Ravinder Ravi wird vorgeworfen, die zwei Attentäter zu glorifizieren. Der Trailer zeigt, dass der Film die zwei Leibwächter als emotionale Menschen mit Familien darstellt, weniger als kaltblütige Mörder.

Laut Medienberichten legte das Innenministerium Beschwerde ein, wodurch der Film noch einmal von der Filmzulassung geprüft werden musste. „Wir haben den Film gesehen und entschieden, dass er nicht veröffentlicht wird, weil es durch die Ausstrahlung möglicherweise zu Ausschreitungen kommen könnte“, sagte Leela Samson, Vorsitzende des Zentralausschusses für Filmzulassungen, der Times of India.

Auch der Geheimdienst soll vor Gewaltausbrüchen gewarnt haben, da der Film sich gegen die Ansichten einiger nordindischer Gemeiden richtet.

Schlüsselfigur des modernen Indien

Indira Gandhi wurde 1917 geboren und 1966 zur ersten Fraktionsvorsitzenden der Kongresspartei gewählt. Sie regierte Indien mit Unterbrechung 15 Jahre lang. Ihr von Machtbewusstsein und Pragmatismus geprägter Regierungsstil wurde oft als skrupellos bezeichnet, gleichzeitig gilt sie als Schlüsselfigur im Aufbau des modernen Indien. Sie schloss 1971 den Freundschaftspakt mit der UdSSR und in ihre Amtszeit fiel auch der Eingriff in den Bürgerkrieg in Pakistan, der mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Ostpakistans, dem heutigen Bangladesch, endete.

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Als Gandhi 1975 vom Obersten Gerichtshof wegen Wahlkorruption verurteilt wurde, verhängte sie den Ausnahmezustand und ließ ihre politischen Gegner verhaften. 1977 folgte eine Wahlniederlage, aber schon 1980 war sie wieder an der Macht.

Im gleichen Jahr forderte die nationalistische Khalistan-Bewegung der Sikhs im indischen Bundesstaat Punjab die Unabhängigkeit. Es kam zu Ausschreitungen zwischen Hindus und Sikhs. 1982 verschanzte sich eine bewaffnete Gruppe von Sikhs im Goldenen Tempel von Amritsar. Im Juni 1984 ließ Gandhi den Tempel schließlich in der Operation Blue Star stürmen. Die Zahlen der dabei getöteten Zivilisten sind umstritten, die Schätzungen reichen von 500 bis zu mehreren tausend Menschen.

Im Oktober 1984 wurde Indira Gandhi von zwei Sikh-Leibwächtern ermordet. Das Attentat löste Racheakte gegen Sikhs in vielen Teilen Nordindiens aus. Ende der 80er Jahre wurde der Kampf der Sikhs für ein unabhängiges Khalistan niedergeschlagen.

„Weder Helden noch Bösewichte“

Die indische Regierung befürchtet nun, ein Kinofilm könne die Konflikte wiederbeleben. „Ich habe dem Premierminister geschrieben, damit der Film gestoppt wird“, sagte Vikramjit Chaudhary von der Kongressjugend in Punjab. Er hatte zuvor vor gewalttätigen Protesten gegen den Film gewarnt. Der Regisseur Ravinder Ravi verteidigte hingegen sein Werk im Gespräch mit der Zeitung The Hindu: Die Charaktere des Films seien „weder Helden noch Bösewichte“.

Indira Gandhis Sohn Rajiv war im Mai 1991 durch den Anschlag einer Selbstmordattentäterin getötet worden. Seine Witwe Sonia Gandhi ist seit 1998 Präsidentin der Kongress-Partei. Ihr Sohn Rahul Gandhi ist Vizepräsident der Partei, die bei den Wahlen 2014 ihr bislang schlechtestes Ergebnis erzielte.

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