Straßenverkehrsordnung wird verändert: Es muss nicht erst Tote geben

Vor Schulen und Kitas können Kommunen künftig leichter Tempo 30 einführen. Und Eltern dürfen bald mit ihren Kindern auf dem Gehweg radeln.

Ein Tempo-30-Schild vor fahrenden Autos

Findet sogar der ADAC gut: Tempo 30 einzurichten, soll leichter gemacht werden. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bilder sind morgens in jeder Stadt zu sehen: unzählige Kinder, die aus Schulbussen quellen, auf Fahrrädern heranbrausen oder von Eltern vor der Schule abgesetzt werden. Um in diesem Chaos etwas mehr Sicherheit zu erreichen, hätten viele Kommunen vor Schulen und Kindergärten gern Tempo 30. Doch wenn die Einrichtung an einer großen Straße liegt, war das bisher meist unmöglich.

Denn an Hauptverkehrsstraßen – das sind Bundes-, Land- oder Kreisstraßen sowie andere kommunale Vorfahrtsstraßen, die überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen – sind Tempobegrenzungen bisher schwer durchzusetzen. Teil einer Tempo-30-Zone, in der die Geschwindigkeit auf allen Straßen eines Gebiets begrenzt ist, dürfen sie grundsätzlich nicht sein.

Und auch ein Tempolimit nur auf einem kurzen Teilstück der Straße, also etwa vor einer Schule, war bisher nur möglich, wenn die Kommune durch eine Untersuchung belegen konnte, dass es sich um einen besonderen Gefährdungsschwerpunkt handelte. Rein vorsorglich, also ohne dass es bereits schwere Unfälle gegeben hat, war ein Tempolimit an Hauptstraßen nicht möglich.

Das soll sich nun ändern. Das Bundesverkehrsministerium will die Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass vor Schulen, Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern künftig keine erhöhte Gefährdung nachgewiesen werden muss, um dort Tempo 30 einzuführen. „Wir schaffen jetzt den Rechtsrahmen, damit die Straßenverkehrsbehörden ohne größere bürokratische Hürden Tempo 30 vor Schulen und Kindergärten auch an Hauptverkehrsstraßen anordnen können“, erklärte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch.

Die Initiative für die Änderung ist allerdings von den Ländern ausgegangen, die bereits im Oktober für eine entsprechende Änderung plädiert hatten. Sie soll nun „schnellstmöglich“ umgesetzt werden, hieß es aus dem Ministerium. In dieser Woche ist der Entwurf an die Länder und Verbände verschickt worden, die nun Stellungnahmen dazu abgeben können.

ADAC findet die Änderung gut

Dort fällt die Reaktion gemischt aus. Der Deutsche Städtetag begrüßt die Pläne. Städten einen größeren Entscheidungsspielraum bei der Einrichtung geschwindigkeitsreduzierter Streckenabschitte zu geben, sei „der richtige Weg“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Kommunen müssten tätig werden können, „bevor etwas passiert“. Auch der Auto-Club ADAC findet die Änderung gut. Zugleich fordert Vizepräsident Ulrich Klaus Becker von den Kommunen aber Zurückhaltung bei der Ausübung der neuen Rechte: Sie sollten „nur dort regulieren, wo es aus Sicherheitsgründen auch geboten ist“, erklärte er.

Dem Radfahrer-Verband ADFC geht die Änderung hingegen nicht weit genug. „Tempo 30 muss Regelgeschwindigkeit in den Städten sein“, fordert Vorstand Jens Schütte. Nur Hauptstraßen sollten davon befreit werden können. Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland würde den Kommunen noch mehr Freiheit geben und sie generell selbstständig entscheiden lassen, wo Tempo 30 und wo Tempo 50 gelten soll.

Noch eine weitere Regelung, die für viel Kritik gesorgt hat, soll im Rahmen der Reform verändert werden. Bisher müssen Kinder unter 8 Jahren mit dem Fahrrad auf dem Fußweg fahren; bis 10 Jahre dürfen sie dies tut. Erwachsene dürfen hingegen grundsätzlich nicht auf Gehwegen radeln. Eltern haben bisher also die Wahl, ob sie ihr Kind auf dem Gehweg allein lassen oder ein Bußgeld riskieren. Künftig dürfen die Kinder beim Radfahren auf dem Gehweg von einer „geeigneten Aufsichtsperson“ begleitet werden. Diese muss aber mindestens 16 Jahre alt sein. 14-Jährige, die ihre 7-jährigen Geschwister begleiten, haben also weiterhin ein Problem.

Besser, aber nicht ideal

Nach Ansicht des ADFC ist die neue Regelung zwar besser als der bisherige Zustand, aber nicht ideal. „Wenn jetzt Eltern ihre Kinder mit dem Rad auf dem Gehweg begleiten dürfen, wird es dort bei zunehmendem Radverkehr immer häufiger zu Konflikten mit Fußgängern kommen“, fürchtet Vorstand Schütte. Notwendig sei daher insgesamt eine „familienfreundliche Fahrrad-Infrastruktur“.

Eine weitere Änderung betrifft Elektroräder, und zwar jene, die selbstständig bis zu 25 Kilometer pro Stunde fahren, auch wenn nicht getreten wird. Genau wie Mofas sollen sie künftig außerorts generell auf Radwegen fahren dürfen. Innerorts soll dies durch ein neues Zusatzschild erlaubt werden können. Für Pedelecs, bei denen der Motor nur unterstützend arbeitet, gilt das schon jetzt.

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