Strahlenschützer setzen auf Vertrauen: Warten auf den Europa-Strahlenpass

Ausländische Leiharbeiter in deutschen Atomanlagen kriegen eventuell zu viel Strahlung ab. Ob ihre Strahlenpässe wirklich kontrolliert werden, ist unsicher.

Draußen strahlt wohl nicht so viel: Arbeiten am Akw Brunsbüttel. Bild: ap

BERLIN taz | In den deutschen Regeln für den Strahlenschutz von Beschäftigten in Atomanlagen klaffen offenbar Lücken. Den Behörden ist es bei Arbeitern aus dem Ausland kaum möglich, deren effektive Strahlenbelastung konkret zu überprüfen. Bei dieser Abschätzung müssen sie den Behörden der anderen Länder vertrauen oder den Firmen, die die Arbeiter entsenden. Das Risiko: Ausländische Leiharbeiter in deutschen Atomkraftwerken kriegen womöglich mehr radioaktive Strahlung ab als erlaubt.

Um Zugang zu den Reaktoren zu bekommen, müssen Arbeiter nach dem bestehenden Recht entweder ein ausländisches Strahlenschutzdokument anerkennen lassen oder einen deutschen Strahlenpass beantragen. In den Pass muss die gesamte Strahlenbelastung - auch durch Arbeiten im Ausland - eingetragen werden. So soll kontrolliert werden, dass diese bei niemandem den gesetzlichen Grenzwert überschreitet. Doch die Regelung hat eine Lücke, wenn es kein Dokument gibt, das anerkannt werden kann.

Eine Sprecherin des bayerischen Landesamts für Umwelt sagte der taz, in "Einzelfällen" werde die Leiharbeitsfirma angeschrieben, "um die bislang erhaltene Strahlenbelastung des ausländischen Mitarbeiters abzufragen". Eine Zugangserlaubnis zu bayerischen Reaktoren gebe es nur, wenn dem AKW-Betreiber "die entsprechenden Dosisvorbelastungen des Fremdarbeiters bekannt sind".

Ein großes Risiko

Beim Umweltministerium von Baden-Württemberg heißt es, dass sich der Arbeitgeber um einen vollständigen Strahlenpass kümmern müsse. Lässt sich das kontrollieren? "In Anbetracht der bekannten Anforderungen und Konsequenzen würde die entsendende Firma ein großes Risiko eingehen", wenn sie falsche Angaben mache, sagt ein Ministeriumssprecher. Doch selbst kontrollieren die Behörden offenbar nicht.

Einfacher und sicherer lässt sich die Vorbelastung ermitteln, wenn ein Strahlenpass oder ein vergleichbares Dokument aus dem Ausland anerkannt werden kann. Doch dafür gibt es in Deutschland offenbar keine einheitlichen Kriterien: "Anerkennungen von ausländischen Strahlenpässen werden von den zuständigen Behörden der Länder im Einzelfall entschieden", schreibt die Bundesregierung in einer Antwort an die Linken-Politikerin Jutta Krellmann. Die Bundesregierung kann in dem Schreiben nicht sagen, aus welchen Ländern Strahlenpässe anerkannt werden können und aus welchen nicht. Für Krellmann zeigt das, "wie löchrig die Kontrolle von internationalen Strahlenpässen und der Strahlendosen von nicht nur in Deutschland tätigen Beschäftigten gehandhabt wird".

Das bayerische Landesamt für Umwelt erklärt zum Beispiel, es gebe "in einer Vielzahl von Ländern spezielle Strahlenschutzdokumente", die dem deutschen Strahlenpass ähnelten. Konkret nennt die Behörde die Länder Schweiz, Belgien, Spanien und Österreich. Die Einführung eines europäischen Strahlenpasses, der die Regelungslücke schließen könnte, wird von der Bundesregierung unterstützt, ist aber nicht abzusehen. Wie viele ausländische Leiharbeiter in den letzten Jahren einen deutschen Strahlenpass erhalten haben, ist unbekannt. Beim Ausstellen würden Nationalität und Geburtsland nicht erfasst, erklärt die Bundesregierung.

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