Stefan Liebich zur Rüstungskontrolle: „Maas hätte mehr machen können“

Die USA kündigen den INF-Vertrag über die Kontrolle von Mittelstreckenraketen auf. Linken-Außenpolitiker Liebich kritisiert die Rolle Deutschlands.

Ein Soldat neben einer meterlangen Rakete in einer Halle

Die russische Rakete, die den INF-Vertrag gefährdet, heißt 9M729. Oder im Nato-Code: SSC-8 Foto: dpa

taz: Die USA kündigten am Freitagnachmittag den INF-Vertrag mit Russland auf. Beschränkungen für nukleare Mittelstreckenraketen werden damit wohl wegfallen. Was bedeutet das für uns in Deutschland?

Stefan Liebich: Das bedeutet erst mal, dass die Zeit, in der die internationale Gemeinschaft mehr Abrüstungs- und Rüstungsbegrenzungsverträge hinbekommen hat, offenkundig vorbei ist. Damit steigt das Risiko für Deutschland, Europa und die Welt.

Bis der Austritt der USA gültig wird, bleibt noch eine vertraglich festgelegte Frist von sechs Monaten. Lässt sich in der Zeit noch etwas machen?

Ich bin nicht besonders optimistisch. In den Gesprächen, die ich in den letzten Monaten geführt habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass weder die USA noch die Russische Föderation großes Interesse daran haben, den Vertrag aufrechtzuerhalten.

Bei wem sehen Sie die Verantwortung für diese Entwicklung?

Das hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten hochgeschaukelt. Es fing damit an, dass die USA die Planungen für einen Raketenschirm in Europa aufgenommen haben. Die Russische Föderation hat von Beginn an gesagt, dass sie das als gegen sich gerichtet wahrnimmt. Sie hat immer wieder gefordert, das zu unterlassen, aber das ist nicht passiert. Die russische Entscheidung, eine neue Rakete zu entwickeln, die nach Einschätzung der USA und der Nato als Bruch des INF-Vertrags gewertet werden kann, ist aus meiner Sicht auch eine Antwort darauf. Damit ist die Zeit, in der man gegenseitig Vertrauen gezeigt hat, vorbei.

Außenminister Heiko Maas hat in den vergangenen Wochen noch versucht, den Vertrag zu retten. Er hat in Moskau und Washington verhandelt. Hat er genug unternommen?

Man muss einfach festhalten, dass die Bundesrepublik Deutschland hier kein Player war und ist. Natürlich wären Deutschland und Europa Leidtragende, wenn es wieder zu einem Rüstungswettstreit in der Kategorie der Mittelstreckenwaffen kommen würde. Aber wir sind nicht Vertragspartner und Deutschland hat hier offenkundig nicht die Rolle, Russland oder die USA ausreichend zu beeinflussen.

46, ist außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Maas hat also alles richtig gemacht?

Ein Fehler von Heiko Maas war es, sich auf eine Seite zu schlagen. Die Bundesrepublik Deutschland hat ja wie die Nato die Schuld einseitig Russland zugeschrieben, ohne eigene Erkenntnisse über deren Raketen zu haben. Man hat sich einfach auf die Einschätzung der Amerikaner verlassen. Ich finde, Deutschland hätte da deutlicher sagen können: Wir erwarten gegenseitige Kontrollen und wir fördern das. Auch wenn ich sage, Deutschland ist hier kein großer Player: Man hätte da schon mehr machen können.

Glauben Sie selbst denn nicht, dass die russischen Raketen gegen den INF-Vertrag verstoßen?

Ich habe sie mir nicht angeschaut. Natürlich: Wenn die Russen sagen, wir haben eine Rakete, deren Reichweite exakt so groß ist, wie es der INF-Vertrag gerade noch erlaubt, darf man schon Zweifel haben. Aber wenn man Zweifel hat, reicht das nicht. Es gab das Angebot der russischen Seite, Inspektionen vorzunehmen. Das ist leider von der US-Seite ausgeschlagen worden. Insofern nützt meine Spekulation hier gar nichts. Man muss beidseitig Inspektionen zulassen.

Die Linksfraktion hatte diese Woche auf ihrer Jahresauftaktfeier den US-Botschafter Richard Grenell zu Gast. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?

In der Tat habe ich mit dem Botschafter Grenell bei einem ernsthaften Gespräch in seiner Botschaft über alle Fragen gesprochen, auch über strittige. Es ist aber nicht sinnvoll, vertrauliche Gespräche öffentlich im Detail nachzubereiten. Der Empfang der Linksfraktion war ein Empfang und das war nicht der Ort für kritische Auseinandersetzungen. Da waren übrigens auch viele andere diplomatischen Vertreter zu Gast. Bei den anderen wurde es nur nicht so prominent berichtet.

Auch der russische Botschafter war da. Mit Grenell hat er dort aber nicht über den INF-Vertrag verhandelt?

Ich habe nicht gesehen, dass dort Verhandlungen stattgefunden haben. Wäre natürlich toll, wenn die Linksfraktion dafür eine Plattform bieten würde. Aber wir wollen unsere Rolle auch nicht überhöhen.

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