Standpunkt Temperatur: In Rekordlaune

Die globale Durchschnittstemperatur hat die bestehenden Höchstmarken im September und Oktober überschritten.

Wenn ein Fluss austrocknet: Folgen des El Niño Phänomens im März 2010 auf den Philippinen. Bild: dpa

So warm wie 2014 war der Zeitraum Januar bis Oktober in Deutschland noch nie, wie der Deutsche Wetterdienst kürzlich feststellte. Das Gleiche gilt auch für die mittlere globale Temperatur. Der Oktober war auf unserem Planeten der wärmste Oktober seit Beginn der Aufzeichnungen, der September gleichfalls der wärmste September, der August der wärmste August. Das Klimadatenzentrum der USA erwartet, dass 2014 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen wird, wenn der Rest des Jahres weiterhin so warm bleibt. Die global bislang wärmsten Jahre waren 2010 gefolgt von 2005.

Die Washington Post schrieb kürzlich, es gäbe inzwischen derart viele solcher Rekorde, dass die Leute dazu nur noch mit den Achseln zucken. Die abgelaufenen 356 Monate waren alle ausnahmslos wärmer als die mittlere Temperatur im 20. Jahrhundert. Diese Rekorde sind eine logische Folge der globalen Erwärmung: die mittlere globale Temperatur ist seit dem 19. Jahrhundert um ein knappes Grad gestiegen. Drei Viertel dieser Erwärmung fanden seit 1980 statt.

Eine interessante Frage ist, wie viele Rekorde man eigentlich in Anbetracht der globalen Erwärmung erwarten würde? Die Antwort lässt sich aus dem Verhältnis von Erwärmungstrend zu „Rauschen“ (also zufälligen wetterbedingten Schwankungen) errechnen. Für die globale Mitteltemperatur ergibt sich, dass bei stetigem Erwärmungstrend in etwa alle vier Jahre ein neuer Rekord zu erwarten ist. Das entspricht dem, was auch tatsächlich beobachtet wird. Es kann auch mal länger oder kürzer dauern – so war das Jahr 1998 ein besonders warmer Ausreißer durch ein Rekord-El-Niño Ereignis; danach hat es sieben Jahre gedauert, bis die Temperatur dann 2005 getoppt wurde.

In den örtlichen Temperaturen, also etwa in Deutschland, sind Rekorde erheblich seltener, weil das „Rauschen“ lokal um ein Mehrfaches größer ist als global. Denn zufällige Wetterschwankungen gleichen sich im globalen Mittel weitgehend aus. Dennoch treten lokale Wärmerekorde in den Monatstemperaturen bereits fünfmal so häufig auf, als das in einem stabilen Klima der Fall wäre. Auch hier stimmen Beobachtungsdaten gut mit der theoretischen statistischen Erwartung überein.

Das El Niño Phänomen

Die Frage, wann genau ein neuer Rekord erreicht wird, hängt von den Schwankungen ab, die sich dem globalen Erwärmungstrend überlagern, und dabei spielt das El Niño Phänomen im tropischen Pazifik die wichtigste Rolle. Es handelt sich um eine natürliche, unregelmäßige Klimaschwingung. Während El-Niño-Ereignissen erschlaffen die Passatwinde und der Pazifik gibt Wärme ab, die dort zuvor zwischengespeichert wurde. Diese Ereignisse treten alle paar Jahre auf und halten typischerweise ein halbes Jahr an, häufig über Weihnachten hinweg – El Niño wurde von peruanischen Fischern daher nach dem Christkind benannt.

In der Folge steigt die globale Temperatur etwas an, am wärmsten ist sie etwa drei Monate nach dem Höhepunkt des El Niño. Deshalb werden neue Temperaturrekorde meist nach einem El Niño erreicht – so war es auch bei den letzten drei Rekordjahren 1998, 2005 und 2010. In diesem Jahr könnte ein Rekord sogar ohne El Niño eintreten. Auf jeden Fall wird 2014 deutlich das wärmste Jahr ohne El-Niño werden, denn selbst wenn der erwartete El Niño jetzt noch beginnen sollte wird er seine Wirkung erst 2015 entfalten.

Die fortschreitende Erwärmung widerlegt die wissenschaftlich unseriösen „Klimaskeptiker“, die immer wieder behaupten, die globale Erwärmung sei vorbei, oder die gar (wie der frühere RWE-Manager Fritz Vahrenholt) eine Abkühlung vorhergesagt haben. Statt die globale Erwärmung mit fadenscheinigen Argumenten wegzudiskutieren, sollten wir das Problem rasch anpacken.

Zum Glück setzt sich diese Einsicht inzwischen durch. Immer mehr Menschen denken über ein gutes und nachhaltiges Leben nach, bei dem es nicht nur um mehr Konsum geht. Und dass nun die EU, die USA und China konkrete Minderungsziele ihrer Klimagas-Emissionen auf den Tisch gelegt haben, macht Hoffnung für das globale Klimaschutzabkommen, das im kommenden Jahr in Paris abschlossen werden soll. Noch kann es gelingen, die globale Erwärmung zumindest auf 2 Grad zu begrenzen.

zeo2-Kolumnist Stefan Rahmstorf forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seine aktuellen Forschungsgebiete: Paläoklima, Meeresspiegel und Wetterextreme.

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2015. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.