Standpunkt Fracking: Ausbeuten ohne Zukunft

Die Bundesregierung gibt vor, die umstrittene Erdgas- Fördertechnik zu verbieten – macht es aber nicht konsequent.

Antifrackingprotest in Nordengland. Bild: reuters

DEUTSCHLAND zeo2 | Für die Energiewende bringt Fracking nichts. Die Gewinnung von Erdgas aus schwer zugänglichen unterirdischen Gesteinsschichten verbessert weder die Versorgungssicherheit noch senkt sie den Gaspreis. Es gibt also kein energiepolitisches Interesse der Gemeinschaft, möglicherweise aber ein betriebswirtschaftliches der Industrie. So urteilt immerhin der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Darin sitzen Ökonomen und Experten für Umwelttechnik, sie beraten die Regierung.

Nur: Die schwarz-rote Koalition nimmt den Rat nicht wirklich an, stoppt das Fracking nicht endgültig. Daran zeigt sich auch, wie stark die globale Gaslobby, die Öligarchie, die politischen Systeme für sich vereinnahmt hat. So kommen wir nicht voran – im Gegenteil. Denn die Frackingdebatte hält uns von wichtigen Fragen ab: Wie gestalten wir eine nachhaltige Entwicklung? Wie erfüllen wir den Auftrag im Grundgesetz, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu schützen? Wie wird die Energiewende umgesetzt? Konsequent gestaltet wäre sie eine Energierevolution. Eine dezentrale kommunale Energieautarkie und der bewusste Verbrauch von Energie wären dabei im Blick. Die Mobilität bliebe dabei nicht außen vor. Darüber lohnt die politisch-gesellschaftliche Debatte.

Es ist paradox: Weltweit wird Deutschland für seine Energiewende bewundert. Doch anstatt sie konsequent voranzutreiben, reihen sich Politiker ein bei den „Fracking-Revolutions-Believern“, die an den langlebigen Schiefergas- Boom in den USA glauben. Dabei wurde der Fracking-Boom nur durch den sogenannten „Halliburton-Loophole“ möglich. Im Jahr 2005 setzten der damalige USPräsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney, ehemaliger Chef der führenden Fracking Firma Halliburton, durch, dass die Technik vom Safe Drinking Water Act ausgenommen wurde. Bei der Methode, bei der mit sehr hohem Druck ein Wasser-Sand-Gemisch in den Boden gepresst wird, damit das Gestein aufbricht und das Gas entweicht, werden auch giftige Chemikalien beigemengt. Doch anstatt die Bevölkerung zu schützen, wurden die Umweltauflagen gelockert.

Erst Ende Mai diesen Jahres haben in den USA 250 Ärzte und Gesundheitsorganisationen einen Brief an den Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, geschrieben und darin auf die durch Fracking in den USA nachweislich verursachten vielfältigen negativen Auswirkungen auf Wasserqualität, Umwelt und die menschliche Gesundheit hingewiesen.

Der immense Wasserverbrauch

Das Umweltbundesamt hat jüngst vorgerechnet, das 48.000 Bohrungen auf 9.300 km² nötig wären, um das geschätzte Schiefergas-Potenzial in Deutschland zu erschließen. Rein rechnerisch würde die Menge ausreichen, um den heutigen Gasverbrauch für etwa eine Dekade zu sichern. Aber erst nach dem flächendeckenden Abfracken der betroffenen Regionen würde man wissen, was wirklich aus dem Boden zu holen ist. Darüber hinaus würde der immense Wasserverbrauch von bis zu 270 Millionen Liter pro Bohrplatz auch zu einer Konkurrenzsituation mit dem Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft führen.

Dazu kommt noch das Problem der natürlichen, giftigen Abwässer, die auch in der konventionellen Erdöl-/Erdgasförderung aus dem Untergrund mit an die Oberfläche geholt werden. Dieses Lagerstättenwasser ist extrem salzhaltig, teilweise radioaktiv und angereichert mit Quecksilber oder Kohlenwasserstoffen wie dem Benzol. Es wird zum Beispiel per Lkw und Pipelines zu ehemaligen Erdöl- und Erdgaslagerstätten transportiert und dort wieder in die Erde gepresst.

Dies ist auch gängige Praxis in Deutschland, einem Land, das sich gerne für sein Umweltbewusstsein rühmt. Mit der Ausweitung von Fracking- Vorhaben würde das jetzt schon bestehende Problem der nicht umweltgerechten Entsorgung dieser Abwässer vergrößert. Da insgesamt ein dauerhaftes Monitoring fehlt und die Industrie bislang keine vollständigen Daten vorgelegt hat, kann das Argument der Befürworter, in Deutschland sei seit den 60er Jahren bereits mehr als 300-mal in Sandsteinlagerstätten gefrackt worden und nie sei etwas passiert, auch nicht aufrechterhalten werden.

Wie unseriös die Debatte geführt wird, zeigt sich auch daran, dass die Bundesregierung eine nicht zu erklärende Grenze ziehen will: Fracking soll in Schiefer- und Kohleflözlagerstätten nur oberhalb von 3.000 Meter Tiefe verboten werden. Aber Forschungsfracking, kommerzielle Vorhaben, deren „Unbedenklichkeit“ von einer sechsköpfigen „Elitekommission“ per Mehrheitsbeschluss bescheinigt wurden und Fracking in Sandstein (Tight Gas) sollen möglich sein.

Gas ersetzen

Und: Fracking jeglicher Art soll zwar in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten sowie Einzugsbereichen von Talsperren und Seen, die unmittelbar der Trinkwassergewinnung dienen, untersagt werden. Aber diese Gebiete sind jetzt schon aufgrund ihres Charakters vor den Auswirkungen des Frackings geschützt. Auch ist nicht klar formuliert, ob Naturschutzgebiete und Brunnen der Bierbrauer und Mineralwasserhersteller tabu sein werden.

In Natura-2000-Gebieten soll Fracking in Sandstein möglich sein. Das heißt: Die Regierung will für das Fracking einen sicheren Rechtsrahmen verabschieden, anstatt energiepolitisch klare Grenzen zu ziehen. Dabei wäre ein Stopp richtig und wichtig, damit wir uns endlich um das Eigentliche kümmern, nämlich Kohle, Öl und Gas durch Erneuerbare Energien zu ersetzen und gleichzeitig das Bewusstsein für einen sorgsamen Energieverbrauch stärken.

Andy Gheorghiu ist Mitglied der Bürgerinitiative „Fracking freies Hessen“. Er kämpft national und international gegen die Gasförderung und war für den taz Panter Preis 2014 nominiert.

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2015. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.