Stadtsoziologe über die Mietpreisbremse: „Eigentümer werden Wege finden“

Vor allem die Armen werden von der Mietpreisbremse nicht profitieren. Stadtsoziologe Andrej Holm fordert stattdessen mehr sozialen Wohnungsbau.

Für höhere Mieten muss künftig tatsächlich saniert werden Bild: dpa

taz: Herr Holm, hilft die Mietbremse gegen Gentrifizierung, also die Vertreibung von ärmeren Gesellschaftsschichten aus den Innenstädten?

Andrej Holm: Nicht wirklich. Eine Deckelung knapp über dem Mietspiegel nützt den Mittelschichten, aber nicht den Armen. Geringverdiener brauchen Mieten unter dem Mietspiegel. Das hat die Mietpreisbremse nicht zu bieten.

Hilft sie also gar nichts?

Nur bedingt. Sie macht eine Neuvermietung nicht mehr so attraktiv und stört dadurch ein wenig den Verdrängungsdruck. Zurzeit kündigen Eigentümer immer öfter umfangreiche Modernisierungen an, um die Mieter zum Auszug zu bewegen. Soll sich die Miete verdoppeln, suchen viele eine neue Bleibe. Wochen später können die Mieter dann im Netz sehen, wie ihre Wohnungen ohne jede Modernisierung für viel mehr Geld angeboten werden.

Mit der Mietpreisbremse müssen die Eigentümer nun wirklich modernisieren, um deutlich höhere Mieten zu erzielen. Aber die Eigentümer werden ihre Wege für das Geschäft mit den Wohnungen finden. Sie werden noch stärker auf die Umwandlung in Eigentumswohnungen setzen. Das ist zwar komplizierter – aber der zu erwartende Gewinn ist auch größer. Vor allem ärmere Haushalte bleiben dabei auf der Strecke – egal, auf welches Pferd die Immobilienbranche gerade setzt.

Was müsste denn passieren?

43, ist Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Gentrifizierung und Wohnungspolitik an der Humboldt-Universität Berlin. Er ist seit Jahren in verschiedenen Stadtteil- und Mieterimnitiativen aktiv und bloggt regelmäßig zu den Konflikten rund um die Aufwertung. Im Februar erscheint beim Droemer-Knaur Verlag sein Buch „Mietenwahnsinn. Warum Wohnen immer teurer wird und wer davon profitiert“.

Mehr öffentliche Verantwortung für das Wohnen: Rekommunalisierung und Sozialer Wohnungsbau.

SPD und Union wollen wie die letzten Jahr 518 Millionen Euro jährlich für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Würde das helfen?

Nein. Die zurzeit diskutierten Programme zielen auf eine zeitlich begrenzte Sozialbindung, also nur vorübergehend zu Sozialmieten erhältlichen Wohnraum, und sichern vor allem die privaten Gewinne der Eigentümer. Und selbst in Städten wie Hamburg oder Köln, wo die Kommunen mehr Geld in die Hand nehmen, reicht der Neubau kaum aus, um die Abgänge aus früheren Jahren zu kompensieren.

Die Förderprogramme verlangsamen nur den Rückgang, doch müsste sich Politik daran messen lassen, wie viele dauerhaft preiswerte Sozialwohnungen zusätzlich geschaffen werden.

Wie könnte das gehen?

Echter sozialer Wohnungsbau geht nur außerhalb der Marktregeln. Es braucht eine Verwertungsbremse, um profitorientierte Investoren abzuschrecken und Spielräume für Genossenschaften und gemeinnützige Stiftungen zu öffnen, die nicht in erster Linie Profit machen wollen sondern soziales Wohnen ermöglichen.

Was kann die Politik konkret tun, um soziales Wohnen zu ermöglichen?

Sie könnte die Modernisierungsumlage abschaffen, damit Eigentümer ihre Modernisierungskosten nicht mehr auf den Mieter abwälzen können. Ihnen würde damit auch ein Mittel fehlen, Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben.

Auch mehr Milieuschutzgebiete einzurichten, würde helfen. Außerdem könnte man die Gewinne aus Vermarktung und Vermietung von Wohnungen sowie den Verkauf von Grundstücken stärker besteuern.

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