Sportwetten in Deutschland: Eine toxische Angelegenheit

Die jüngsten Skandale haben nichts bewirkt. Die Nähe von Sportvereinen und privaten Wettanbietern ist noch immer ein großes Problem.

„In sicheren Händen“: Fußballwetten Bild: dpa

BERLIN taz | Die Sportwettenregulierung ist in Deutschland weiterhin ein Wunschtraum. Seit drei Jahren ist der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft, die 20 Lizenzen für private Wettanbieter sind aber immer noch nicht vergeben. Am Montag legte aus Protest gegen diese Verzögerungen der Sportbeirat des für die Lizenzierung verantwortlichen Glücksspielkollegiums die Arbeit nieder. Zu ihm gehören Vertreter von Sportverbänden und der Fußball-Bundesliga.

Ungeachtet dessen werben ehemalige und aktuelle Fußballstars sehr offensiv für die Wettangebote der Sponsoringpartner ihrer Vereine. Uli Hoeneß etwa präsentierte sich, als er noch Präsident des FC Bayern war, als ganz ausgekochter Zocker in einem Werbespot des Sponsoringpartners bwin, der selbst noch mit einer Lizenz aus seligen DDR-Zeiten sein Geschäft betreibt. Später übernahmen Thomas Müller und Manuel Neuer den Werbepart. Für die Konkurrenz Tipico ist Neuer-Vorgänger Oliver Kahn mit dem Slogan: „Ihre Wette in sicheren Händen“ am Start.

Das könnte man als Lernprozess des Anbieters werten. Denn in früheren Jahren gingen Tipico-Wetten durch wesentlich unsicherere Hände. Durch die des im Bochumer Wettbetrugsprozess angeklagten Marijo Cvrtak etwa. Laut Ermittlungsunterlagen fungierte der Nürnberger Wettpate als „eigentlicher Betreiber“ mehrerer Wettbüros, die zum Teil zu einem Franchise-Partner Tipicos gehören und in einem Fall sogar als Tipico-Filiale beworben wurden. Der offizielle Betreiber habe in einem „untergeordneten Angestelltenverhältnis zu Cvrtak“ gestanden, heißt es in den Bochumer Unterlagen. Auf diesen Zusammenhang wies ein Beitrag des WDR-Magazins „sport inside“ Montagnacht hin.

Nun sind Sportwetten ein – zumindest teilweise – legales Geschäft, das dem Sport selbst auch zahlreiche Gelder einbringt. Mehr als 500 Millionen Euro jährlich kommen dem Sport vom Deutschen Lotto- und Toto-Block zugute. Berechnungen im Zuge des neuen Lottostaatsvertrags gingen sogar von Einnahmen bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr aus. Die Mehrzahl der Vereine der Fußballbundesliga hat zudem Wettunternehmen als Trikot- oder Kosponsoren. Hier kursieren allerdings vergleichsweise magere Zahlen von etwa 15 Millionen Euro Einnahmen für die Klubs.

Für Kenner der Spielmanipulationsszene ist die Nähe von Sportvereinen und privaten Wettanbietern jedoch ein Problem. „Es ist absurd, wenn Mannschaften direkt von Wettfirmen gesponsert werden. Es besteht die Gefahr, dass Spiele beeinflusst werden, damit sie im Interesse des Sponsors verlaufen“, empörte sich Roberto di Martino, Staatsanwalt der großen Wettbetrugsermittlung „Last Bet“ im italienischen Fußball gegenüber der taz.

Zockende Spieler

Gefahren wittert auch die deutsche Spielergewerkschaft VDV. „Wir sehen eine zu enge Verzahnung zwischen Klubs und Sponsoren aus dem Bereich der Wettanbieter kritisch. Denn es darf beispielsweise nicht sein, dass ein Klub eventuell spielsuchtgefährdete Profis als Repräsentanten zu einem Pokerturnier eines Sponsors schickt“, schrieb die VDV in ihrer Mitgliederzeitschrift.

Auch der von DFB und DFL eingesetzte Ombudsmann in Sachen Wettbetrugsprävention, Carsten Thiel von Herff, warnt. Viele wüssten gar nicht vom Wettverbot auf alle Wettbewerbe, in denen Mannschaften des eigenen Vereins spielen. Auch deshalb findet er die „Sichere Hände“-Werbung des einstigen Fußballidols Oliver Kahn verwerflich: „Da werden ja gerade Jugendliche angesprochen und dazu verleitet, zu wetten und sich vielleicht sogar über die ihnen auferlegten Wettverbote hinwegzusetzen.“

Involviert in die bisher bekannten Manipulationen waren Spieler, die oft durch Wettschulden in die Hand der Betrüger gerieten. Eine Sponsoringbeziehung mit Sportvereinen, die an Wettbewerben teilnehmen, die im Wettmarkt angeboten werden, bleibt somit weiterhin eine toxische Angelegenheit.

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