Spärliche Infos zur Rüstungsforschung: Auf Anfrage schweigsam

Linken-Abgeordneter wirft dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium vor, über Rüstungsforschung an Hochschulen "nach der Maßgabe Täuschen, Tricksen, Tarnen" zu informieren.

Sorgt in Niedersachsen für Forschungsaufträge: die Bundeswehr. Bild: dpa

HANNOVER taz | Der niedersächsische Linken-Hochschulpolitiker Victor Perli sieht seine Informationsrechte als Landtagsabgeordneter verletzt. Er hat die schwarz-gelbe Landesregierung nach militärischer Forschung an Niedersachsens Hochschulen gefragt, doch das zuständige Wissenschaftsministerium unter Johanna Wanka (CDU) gibt sich zugeknöpft. Das betrifft vor allem Angaben zur Uni Hannover: Zu 13 wehr- und sicherheitstechnischen Projekten dort verweigert das Ministerium nähere Auskünfte – mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Forschungen.

Perli ärgert vor allem, dass die Lokalpresse „weit freimütiger informiert wurde als wir Parlamentarier“. Denn während das Wissenschaftsministerium ihm Angaben zu Titeln, Auftraggebern und Auftragsvolumen der Projekte verweigert und dies mit Absprachen mit der Uni begründet, verrät die Uni selbst der Neuen Presse in Hannover weit mehr Details: Von Bundeswehr-Aufträgen zur Sensorforschung in den Fachgebieten Elektrotechnik und Maschinenbau berichtete die schon im Oktober mit Berufung auf Uni-Vizepräsident Günter Scholz. 2,5 Millionen Euro flossen demnach seit 2009 in diese Projekte.

Das Ministerium hingegen wollte selbst den Wissenschaftsausschuss des Landtags nur in vertraulicher Sitzung über die Projekte unterrichten. Sprich: Die Informationen, die die Abgeordneten dort erhalten, dürfen sie nicht veröffentlichen. Perli nennt das „respektlosen Umgang mit den Auskunftsrechten von Abgeordneten und Parlament“. Er attestiert der Landesregierung einen „unsensiblen Umgang gerade mit dem Thema Rüstungsforschung nach der Maßgabe Täuschen, Tricksen, Tarnen“.

In einer erneuten Anfrage will er wissen, ob Schwarz-Gelb auch weiterhin an der Geheimhaltung gegenüber dem Parlament festhält. Insbesondere aus der Rüge des niedersächsischen Staatsgerichtshofs an ihrem Auskunftsverhalten sollte die Landesregierung lernen, warnt Perli. Eine „objektiv unvollständige“ Antwort auf Oppositionsanfragen zur Wulff-Affäre hatte das Gericht erst Ende Oktober moniert (taz berichtete).

39 Rüstungsforschungsvorhaben landesweit mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 7,5 Millionen Euro seit 2009 führt das niedersächsische Wissenschaftsministerium auf Anfrage der Linksfraktion auf.

Beteiligt sind demnach die Technische Universität Braunschweig, die Unis Göttingen und Hannover sowie die Hochschule Hannover und fünf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

Auftraggeber sind vor allem Bundeswehr, EU und das Bundesforschungsministerium.

Zwischen 2000 und 2009 waren es laut Linksfraktion nur 23 Projekte mit der Hälfte des Etats.

Eine sogenannte Zivilklausel, die zu friedlicher Forschung verpflichtet, gab es einst im Niedersächsischen Hochschulgesetz.

Die Regierung Gerhard Schröder (SPD) ließ sie dort 1993 verankern. 2003 strich die SPD unter Sigmar Gabriel sie wieder heraus.

Zur Informationspolitik in Sachen Rüstungsforschung will sich das Wissenschaftsministerium selbst nicht äußern. Eine Antwort auf Perlis erneute Anfrage werde derzeit erarbeitet und fristgemäß übermittelt, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Dem parlamentarischen Verfahren wolle man nicht vorweggreifen.

Für Ärger sorgen die geheimen Rüstungsaufträge unterdessen auch an der Uni Hannover selbst. Vor allem die Äußerungen von Vizepräsident Scholz stoßen den Studierenden auf: Kontakte zur Bundeswehr unterhalte die Uni seit Jahren, zitiert ihn die Neue Presse. Diese Kontakte seien „Standard“ und reichten bis in den Zweiten Weltkrieg zurück.

Ob sich die Uni tatsächlich in eine Linie mit dem deutschen Nationalsozialismus stellen wolle, hakt der Asta in einem offenen Brief an das Uni-Präsidium nach. Eine Antwort steht bislang noch aus. Er sei sich aber sicher, dass sein Kollege Scholz wisse, dass die Bundeswehr erst 1955 gegründet wurde, versichert Klaus Hulek, Uni-Vizepräsident für Forschung.

Das Thema Rüstungsforschung wird auch den Senat der Uni beschäftigen: Mitte November diskutiert der die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Uni. Ein solches Verbot militärischer Forschung fordert die studentische Vollversammlung.

Während der Linken-Politiker Perli die Initiative begrüßt und zudem eine Zivilklausel für das Landeshochschulgesetz fordert, äußert sich Forschungs-Vizepräsident Hulek zögerlich. „Regelungen müssen praktikabel sein, sodass nicht im Einzelfall für jedes neue Projekt eine Diskussion beginnt“, sagt er.

Ähnlich sieht das auch das Wissenschaftsministerium: Ein Verbot widerspreche der Forschungspraxis, heißt es dort. Gerade in der Grundlagenforschung ließen sich militärische und zivile Forschung kaum voneinander abgrenzen.

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