Somalisches Militär gegen Vertriebene: Flüchtlinge wie Müll weggeräumt

Das Militär beseitigt viele Camps und humanitäre Einrichtungen. Die Lage der Flüchtlinge in Somalia bleibt katastrophal.

Zwei somalische Frauen mit bunten Kopftüchern und drei kleinen Kindern

Warten auf eine bessere Zukunft: somalische Flüchtlingsfrauen in Kenia Foto: reuters

BERLIN taz | Selbst für somalische Verhältnisse nach fast drei Jahrzehnten Krieg sind die Lebensumstände in Somalia derzeit besonders hart. Eine „beispiellose“ Dürre, mit vier schlechten Regenzeiten hintereinander, hat die Zahl der dringend auf lebensrettende Hilfe angewiesenen Menschen zwischen Januar und November 2017 nach UN-Angaben verzehnfacht, von 83.000 auf 866.000. 2,1 Millionen Menschen sind auf der Flucht, davon kam die Hälfte im vergangenen Jahr dazu.

520.000 Vertriebene drängeln sich in improvisierten Lagern rund um die Hauptstadt Mogadischu, wo Regierung und UNO beständig Fortschritte im Friedensprozess loben und darüber nachdenken, wie vielleicht mal wieder Touristen an Somalias weiße Strände kommen.

Just in diesem zwiespältigen Klima haben die Behörden begonnen, Flüchtlingslager zu räumen – ohne Vorwarnung und offenbar ohne Plan. „Am 29. und 30. Dezember wurden über 23 Vertriebenensiedlungen mit über 4.000 Familien zerstört“, schimpfte bereits am Neujahrstag der humanitäre UN-Koordinator für Somalia, Peter de Clercq.

„Manche dieser Vertriebenen sind lange Strecken gelaufen, um Dürre und Konflikt zu entkommen. Sie haben ihren Besitz und Lebensunterhalt verloren, da den Leuten keine Zeit gewährt wurde, ihre Habseligkeiten einzusammeln, bevor die Zerstörungen begannen. Jetzt leben Familien mit Kindern, Frauen und Alten unter freiem Himmel.“

35.000 Menschen betroffen

Inzwischen wird das volle Ausmaß der Räumungen deutlich – die mit dem Kampf gegen Seuchen und übergroße Bevölkerungsdichte begründet werden. Nicht nur Hütten seien dem Erdboden gleichgemacht worden, protestierte am Dienstag der Dachverband der in Somalia tätigen Hilfsorganisationen.

Aufgelistet wurden „21 Siedlungen, vier Schulen, ein Zentrum zum Kampf gegen sexualisierte Gewalt, ein Ernährungszentrum, drei Gemeinschaftszentren, 353 Kleinunternehmen vor allem von weiblichen Vertriebenen, 170 Latrinen, 26 Wasserstellen, neun Koranschulen und viele humanitäre Einrichtungen“. 5.807 Haushalte – das sind mindestens 35.000 Menschen – seien im Stadtteil Banadir betroffen.

Durchgeführt wurden die Räumungen den Berichten zufolge von Soldaten mit Bulldozern. Eigentlich soll Somalias Armee, die mit internationaler Hilfe mühevoll aufgebaut wird, die islamistischen Shabaab-Rebellen bekämpfen, vor denen zahlreiche Menschen nach Mogadischu geflohen sind. Stattdessen treibt sie die Leute zurück in Krieg und Elend.

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