Shitstorm bei Sozialdemokraten: Vorwärts und schnell vergessen

Die SPD in Rheinland-Pfalz will das Debakel um den Nürburgring hinter sich lassen. Sie setzt nun ganz auf Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Blumen für Dreyer, vielleicht das Sympathischste, was die SPD derzeit zu bieten hat. Bild: dpa

MAINZ taz | Zur Einstimmung sollen die Delegierten beim Landesparteitag in einem kurzen Film sehen, was für eine sympathische Ministerpräsidentin die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz haben. „Ich reflektiere sehr stark“, ist der erste Satz, den Malu Dreyer darin sagt. Ein Satz, der gut zu ihr und überhaupt nicht zu ihrer Partei passt. Denn die blickt nicht gerne selbstkritisch zurück.

Vor zwei Wochen hat das politische Rheinland-Pfalz ein politisches Erdbeben erlebt. Dreyer hat fast alle sozialdemokratischen Minister in der rot-grünen Regierung ausgetauscht oder versetzt. Sie will damit einen Schlussstrich unter das teure Nürburgring-Desaster ziehen, das die Vorgängerregierung unter Kurt Beck zu verantworten hat.

Beck wollte die verlustbringende Rennstrecke mithilfe unseriöser Geschäftemacher zu einem gigantischen Freizeitpark ausbauen. Das Projekt scheiterte und kostete das Land fast eine halbe Milliarde Euro. Mit dem Rauswurf dreier Minister will Dreyer die Ära Beck ein für alle Mal beenden. „Ich bin mir bewusst, dass eine solche Kabinettsumbildung für die politische Kultur in Rheinland-Pfalz ungewöhnlich ist“, sagt sie. Die Parteibasis nimmt es hin.

Von den SPD-Kabinettsmitgliedern ist neben Dreyer nur Innenminister und SPD-Chef Roger Lewentz auf seinem Posten geblieben. Auch er war in die Nürburgaffäre involviert. Ihn auszutauschen hat sich Dreyer anderthalb Jahre vor den nächsten Landtagswahlen offenbar nicht getraut. Lewentz verkörpert den selbstzufriedenen und behäbigen Sozialdemokraten der Beck-Ära. Der 51-Jährige ist bereits im Wahlkampfmodus.

Shitstorm auf Pumps

Er attackiert die CDU-Landesvorsitzende. „Julia Klöckner fegt wie ein Tsunami durchs Regierungsviertel“, ruft er. Manche wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles – die in der ersten Reihe sitzt – würden Klöckner als „Shitstorm auf Pumps“ bezeichnen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als einer von zwei Männern in der Regierung überhaupt sagen darf“, sagt er. Der Saal lacht – nur Malu Dreyer nicht. In Dreyers Kabinett stehen an sechs von acht Ressorts Frauen an der Spitze. Lewentz wird mit 89,9 Prozent wiedergewählt, 5 Prozent weniger als vor zwei Jahren.

Malu Dreyer spricht von Digitalisierung und Demografie, schöner Wohnen im Alter, familienfreundlichen Arbeitszeiten und Bildung. „Lasst die CDU in der Vergangenheit weilen“, ruft sie gegen Ende ihrer Rede, auf den Nürburgring anspielend. „Wenn sich die CDU weiter am Gestern abarbeiten will, dann ist sie dort gut aufgehoben.“

Die SPD feiert ihre Ministerpräsidentin – nicht das, wofür sie steht. Nach mehr als 20 Jahren Regierung ist die Partei ausgeblutet. Dreyer ist vielleicht das Sympathischste, was die SPD derzeit zu bieten hat. Aber ob mit ihr Mehrheiten zu gewinnen sind in einem Land, das grob geschnitzte Typen wie Kurt Beck und Andrea Nahles schätzt, ist ungewiss.

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