Sexarbeit in der Schweiz: Verrichtungsbox am Straßenstrich

Die Stadtverwaltung ist zufrieden, die Sexarbeiterinnen klagen über sinkende Einnahmen: Seit einem Jahr gibt es in Zürich die sogenannten Sexboxen.

Statt Straßenstrich: Sexboxen in Zürich. Bild: dpa

GENF taz | Seit gut einem Jahr stehen im Zürcher Quartier Altstetten zehn „Verrichtungsboxen“ für Sexarbeiterinnen zur Verfügung. Im Volksmund werden sie auch „Sexboxen“ genannt. Aufgestellt wurden sie als Ergebnis einer Volksabstimmung im Sommer 2013.

Der frühere offene Straßenstrich am Sihlquai in der Nähe des Hauptbahnhofs und des beliebten Ausgehviertels Langstraße hatte zu häufigen Beschwerden von Anwohnern geführt, die sich durch die Sexarbeiterinnen, ihre männlichen Kunden oder ihre Zuhälter belästigt fühlten. In einer ersten Jahresbilanz beurteilt das Sozialdepartement die Sexboxen als Erfolg, auch wenn sie deutlich mehr kosteten, als ursprünglich veranschlagt. Die Sexarbeiterinnen sind auch zufrieden, klagen jedoch über geringere Einnahmen.

Die Arbeit in den Verrichtungsboxen sei „stadtverträglich“ und die Arbeitsbedingungen seien „menschenwürdig“, schreibt das Sozialdepartement in seiner Bilanz. Nennenswerte Beschwerden habe es nicht gegeben. Auch hätten sich Befürchtungen, der offene Straßenstrich am Sihlquai werde sich in andere Stadtteile oder in Regionen außerhalb Zürichs verlagern, nicht bewahrheitet.

Die Kosten für den Unterhalt der Verrichtungsboxen lagen im ersten Jahr mit rund 830.000 Franken um 50 Prozent höher, als die Stadt vor der Volksabstimmung vom März 2013 angekündigt hatte. Der Hauptgrund für den Mehraufwand waren höhere Sicherheitskosten.

Sinkende Einnahmen

Um die notwendige Sicherheit für die dort arbeitenden Frauen sowie für das Quartier zu gewährleisten, wurde die vom Sozialdepartement betriebene Einrichtung entgegen den ursprünglichen Annahmen im ersten Jahr durchgängig betreut. Um in den Verrichtungsboxen Freier bedienen zu können, müssen die Sexarbeiterinnen jeweils ein Tagesbillett lösen. Laut einer Umfrage des Sozialdepartements schätzen sie die Sicherheit und die Infrastrukturen. Sie klagen jedoch über gesunkene Einnahmen. Dieser Umstand macht sich auch bei der Anzahl der verkauften Tagesbewilligungen bemerkbar: Pro Abend arbeiten durchschnittlich 15 Sexarbeiterinnen in den Boxen – nur noch halb so viele Frauen, als früher am Sihlquai angeschafft haben.

Die Zürcher Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) hält die Einrichtung der Verrichtungsboxen zwar „eigentlich für eine gute Sache“. Denn dort seien „die Frauen gut geschützt vor Freiergewalt“, es gebe „eine niederschwellige Beratung und eine gute Infrastruktur“. Doch die FIZ merkt kritisch an, dass von dem Angebot der Verrichtungsboxen pro Tag maximal 20 Frauen profitieren. Und nur insgesamt zehn Prozent des Sexgewerbes in Zürich fände auf der Straße statt. Der Rest spiele sich indoor in Salons und anderen Etablissements ab.

Die Voraussetzung für die Bewilligung solcher Indoor-Einrichtungen hat die Zürcher Stadtregierung in letzter Zeit erheblich verschärft. FIZ befürchtet, dass infolge dieser Verschärfungen „viele kleine Salons, die zwei, drei Frauen miteinander in ihrer gemeinsamen Wohnung betreiben, nicht überleben werden“. Dabei seien diese kleinen Salons „eine relativ sichere und selbstbestimmte Art, als Sexarbeiterin Geld zu verdienen“. Denn die Frauen organisierten sich selber, seien nicht abhängig von einem Zuhälter und entschieden selbst, welche Freier sie bedienen wollten.

Da die Stadtregierung auch die Zonen für den noch erlaubten offenen Straßenstrich verkleinert hat, befürchtet die FIZ, dass trotz der positiven Einrichtung der Verrichtungsboxen in Zukunft mehr Sexarbeiterinnen in Zürich „in die Illegalität gedrängt“ und damit wieder der Gewalt von Zuhältern und Freiern ausgeliefert werden.

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