Senat plant Tempelhof-Bebauung: Ein Knick in der Optik

Der Senat will das Tempelhofer Feld offenbar weit dichter bebauen als bislang bekannt. Anwohner starten Volksbegehren gegen alle Baupläne.

Jede Menge Platz für Neubauten, sagt die Politik. Lasst Platz, sagen Initiativen. Bild: ap

Tempelhofer Freiheit heißt Berlins einzigartiger Ort, der gerade durch seine schiere Weite und soziale Dichte fasziniert. Doch diese Freiheit ist eine auf Zeit. Am 8. November werden sich SPD und CDU bei ihren Koalitionsverhandlungen das Thema Stadtentwicklung vornehmen - und entscheiden, wie viel von der Tempelhofer Freiheit übrig bleibt. Dem Park droht nach taz-Informationen eine weit dichtere Bebauung als bekannt. Eine Bürgerinitiative mit dem Namen "100 Prozent Tempelhof" plant bereits ein Volksbegehren gegen alle Bauprojekte (mehr dazu hier).

Dass auf dem Tempelhofer Feld nicht nur eine Grünfläche entstehen soll, stand schon bei der Schließung des Flughafens fest. Unklar ist bislang aber, wo und was am Rande des künftigen Parks gebaut wird. Gleichwohl hat der Senat die landeseigene Tempelhof Park GmbH mit der Entwicklung der Flächen beauftragt. "Damit wurden Fakten geschaffen, bevor der Wettbewerb zur Gestaltung des Parks entschieden war", kritisiert die grüne Stadtentwicklungsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig.

Tatsächlich hat der Senat im Juni 2009 die Adlershof Projekt GmbH mit der Entwicklung "des städtebaulichen Konzeptes auch unter ökonomischen Gesichtspunkten" beauftragt. Aus dieser Gesellschaft ging die Tempelhof Projekt GmbH hervor, die die Planung für die Bebauung vorantreibt. Der Wettbewerb für den Park wurde dagegen erst im Juni 2010 entschieden. "Wir müssen nun beide Verfahren miteinander in Einklang bringen", räumt Martin Pallgen, Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH, ein. Wann dies passiert, ist unklar.

Pikant dabei ist, dass die Entwicklungsgesellschaft inzwischen für weit mehr Flächen zuständig ist, als die zuständige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) bislang glauben machen wollte. Auf der Website der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird als Grundlage für die Bebauung ein Plan vom Juni 2009 gezeigt. Die Baufelder konzentrieren sich auf vier Standorte: ein Tempelhofer Forum rund um das Flughafengebäude, das Columbia-Quartier am Columbiadamm, das Stadtquartier Tempelhof entlang des Tempelhofer Damms und der Stadtautobahn sowie das Stadtquartier Neukölln am Ostende des Parks an der Neuköllner Oderstraße.

Demgegenüber steht freilich ein jüngerer Plan vom Dezember 2010, auf dem die Baufelder vor allem an der Grenze zu Neukölln ausgeweitet sind. "Damit würde der Park mindestens 10 Hektar kleiner als bislang geplant", meint Eichstädt-Bohlig. Der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Mathias Gille, bekräftigt hingegen, dass an der Größe des Parks von 220 Hektar festgehalten werde. Das gesamte Gelände in Tempelhof hat eine Fläche von 400 Hektar.

Auch die Entwicklungsgesellschaft beteuert, nicht an der Größe des Parks rütteln zu wollen. Sprecher Pallgen verweist auf den Plan vom August 2011, demzufolge das Bauvolumen auf Neuköllner Seite deutlicher geringer ausfallen würde als nach den Plänen vom Dezember 2010.

Allerdings: Das ausgeweitete Planungsgebiet der Tempelhof Projekt GmbH wurde im jüngsten Plan nicht wieder verkleinert. Welches Bauvolumen realisiert wird, liegt also nunmehr allein in der Hand der Entwicklungsgesellschaft. Die ebenso landeseigene Grün GmbH, die für den Park zuständig ist und im Gegensatz zur Projekt GmbH keinem unmittelbaren ökonomischen Zwang unterliegt, ist aus dem Spiel. "Fehlende Transparenz", finden die Grünen.

Das ist nicht die einzige Kritik. Mit einer Internationalen Bauausstellung will der Senat in Tempelhof neue Modelle des ökologischen und sozialen Bauens erproben - und so an der schwierigen Nachbarschaft zu Neukölln Sensibilität zeigen. Schließlich ist der Widerstand gegen die Bebauung im Schillerkiez besonders groß. Befürchtet werden Mietsteigerungen und Verdrängung. Den Grünen liegen nun aber Informationen vor, denen zufolge die Tempelhof Projekt GmbH alle Grundstücke zum Marktwert verkaufen soll. "Mit sozialem Wohnungsbau wird da dann nichts mehr", ärgert sich Eichstädt-Bohlig.

Martin Pallgen dagegen versichert, dass noch nichts entschieden sei: "Ich gehe davon aus, dass es bei der Wohnbebauung zu einer Mischfinanzierung kommt." So könnten in Neukölln auch Baugruppen und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge kommen, während an anderer Stelle die Grundstücke teurer verkauft würden.

Senatssprecher Gille sagt, dass das Thema der Grundstücksverkäufe von der Politik entschieden werden müsse. Zwar hat die SPD in ihr Wahlprogramm geschrieben, in Tempelhof soll sozialer Wohnungsbau entstehen. Gut möglich ist aber auch, dass Rot-Schwarz, wie von der CDU gefordert, verstärkt private Investoren zum Zuge kommen lässt. Tempelhofer Freiheit wäre dann einmal gewesen.

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