Seenotrettung im Mittelmeer: „Unwürdiges Geschacher“

Deutschland blockiere eine dauerhafte Lösung zur Aufnahme von Geretteten, kritisieren die Grünen. Pro Asyl nennt Maltas Verhalten „feindselig“.

Menschen liegen aneinandergedrängt auf dem Deck eines schiffes

62 Geflüchtete drängten sich zuletzt auf der Alan Kurdi Foto: dpa

BERLIN taz | Nach dem erneuten langwierigen Tauziehen um ein Rettungsschiff mit Geflüchteten wird Kritik an der Bundesregierung laut. „Das war jetzt in kurzer Zeit das dritte Rettungsschiff, bei dem es so ein unwürdiges Geschachere gab“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Filiz Polat am Sonntag der taz. Sie war mit dem SPD-Abgeordneten Helge Lindh am Sonnabend nach Valetta gereist. Polat warf der Bundesregierung vor, einen dauerhaften Mechanismus zur Verteilung von aus Seenot Geretteten auf verschiedene aufnahmebereite EU-Länder zu blockieren.

Die 62 Menschen, die das deutsche NGO-Schiff Alan Kurdi am 3. April aus Seenot gerettet hatte, waren am Samstagabend nach Malta gebracht worden. Zuvor hatten sich Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxemburg zur Aufnahme der Menschen bereit erklärt. Daraufhin holte die maltesische Armee die Geretteten von der Alan Kurdi und brachte sie in den Hafen von Valetta.

Malta und Italien hatten dem Schiff der NGO Sea Eye aus Regensburg zuvor verboten, ihre Häfen anzufahren. Die Lage auf der nur für 21 Personen ausgelegten Alan Kurdi hatte sich im Laufe der letzten Tage erheblich verschlechtert. Die EU-Kommission hat die Aufnahme der Menschen in den vier EU-Staaten ausgehandelt. Deutschland will nun bis zu 26 von ihnen nehmen.

Seitdem Italien und Malta im vergangenen Sommer ihre Häfen für Rettungsschiffe geschlossen hatten, mussten die Schiffe teils wochenlang mit Geretteten an Bord auf See bleiben, bis einzelne EU-Staaten jeweils individuelle Zusagen zur Aufnahmen gemacht hatten. Ein System zur schnellen Verteilung Geretteter nach einem festen Schlüssel, der nicht jedes Mal auf's Neue ausgehandelt werden muss, scheitert nach Angaben der grünen Abgeordneten Polat daran, dass Deutschland – und wohl auch Frankreich – nur Menschen mit so genannter guter Bleibeperspektive aufnehmen wolle.

Damit scheiden vor allem Staatsangehörige aus den meisten westafrikanischen Staaten aus – sie bekommen in der Regel kein Asyl in Deutschland. „Wenn auf einem Schiff Leute aus Westfrika sind, funktioniert das nicht. Für die braucht es aber genauso eine Lösung“, sagte Polat. Ein fester europäischer so genannter ad-hoc-Verteilmechanismus dürfe „nicht durch Deutschlands Rosinenpickerei blockiert werden, indem es anderen Ländern das Kriterium der Bleibeperspektive diktiert“, so die Abgeordnete.

Ein schiff auf dem Mittelmeer

Die Alan Kurdi Anfang April Foto: dpa

Der Fall der Alan Kurdi sei „wieder einmal eine beschämende Episode, in der die EU-Mitgliedstaaten unnötig einen Notfall auf See verlängerten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der NGOs Sea Watch, Open Arms, Mediterranea, Sea Eye, Alarm Phone, Seebrücke und Jugend Rettet. Erneut seien das Seerecht, das Völkerrecht und die Menschenrechte verletzt worden, weil die Menschen nicht sofort im nächstgelegenen sicheren Hafen an Land gehen durften.

Während die Regierungen verhandelt hätten, seien die Geretteten gezwungen waren, zehn Tage lang unter unsicheren Bedingungen auf See zu bleiben. Dies sei eine „illegitime und unhaltbare Praxis, die gegen das Völkerrecht, die Grundprinzipien der Menschenrechte und die Würde der Geretteten verstoßen“, so die NGOs weiter.

Der Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt nannte das Verhalten Maltas gegenüber den Lebensrettern und den Geretteten „feindselig“ und „unerträglich“. Es gebe überhaupt keine nachvollziehbare Erklärung, dass die Alan Kurdi nicht in den Hafen einlaufen durfte. „Warum es eine Woche dauert, bis man vier EU-Staaten zusammenbekommt, um 64 Menschen aufzunehmen, ist rational nicht erklärbar“, so Burkhardt.

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