Seehofer will mehr Abschiebungen: Hindernis sind oft fehlende Papiere

Mehr als die Hälfte der geplanten Abschiebungen konnte 2018 nicht durchgeführt werden. „Nicht akzeptabel“ nennt Seehofer das – und pauschalisiert fleißig.

Drei Männer stehen am Kofferraum eines Transporters

Schieben ab: drei Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) am Flughafen Frankfurt Foto: dpa

BERLIN taz | Mehr als die Hälfte der 57.000 angesetzten Abschiebungen im Jahr 2018 ist einem Zeitungsbericht zufolge gescheitert. Insgesamt konnten 30.921 dieser Rückführungen nicht wie geplant durchgeführt werden, berichtete die Bild am Sonntag (Bams). In 27.000 Fällen sagten demnach die Bundesländer die Übergabe der abzuschiebenden Personen an die Bundespolizei ab, in 7.000 Fällen geschah dies am Flugtag. In vielen Fällen sei die betreffende Person nicht auffindbar oder krank – oder es fehlten Papiere.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte es in der Bams „nicht akzeptabel“, wenn Abschiebungen wegen fehlender Papiere oder nicht auffindbarer Personen scheiterten; „ganz zu schweigen von denjenigen, die ihre Rückführung am Flughafen verhindern“. Er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besprochen, „dass wir das zügig abstellen müssen“, so Seehofer.

Tatsächlich hat der Bundesinnenminister gerade einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben, um die Haftmöglichkeiten für Menschen, die abgeschoben werden sollen, massiv auszuweiten. Dadurch wolle man ein Untertauchen der betreffenden Personen verhindern, heißt es aus Ministeriumskreisen. Demnach sollen Menschen in Abschiebehaft genommen werden können, wenn sie aus Sicht der Behörden nicht ausreichend an der Beschaffung von Papieren mitwirken. Für diese Menschen soll zudem ein neuer Status noch unterhalb der Duldung geschaffen werden.

Es gibt viele Gründe für fehlende Pässe. Einige Geflüchtete verlieren sie auf der Flucht oder bekommen sie von Schleuser*innen abgenommen. Andere werfen sie weg, weil sie sich so bessere Bleibechancen erhoffen. Wieder andere haben nie ein solches Dokument besessen.

Herkunftsländer antworten nicht auf Passanträge

Diese Vielfalt an Gründen bilde der Innenminister in der Debatte nicht ab, kritisierte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg. „Bisher konnte noch niemand darlegen, dass die Mehrheit der Menschen mutwillig ihre Identität verschleiert“, sagte Amtsberg der taz. Auch, dass von Deutschland aus ein Passersatz nicht beschafft werden kann, sei keineswegs immer den Geflüchteten anzulasten.

Luise Amtsberg

„Viele Länder wollen die Menschen nicht zurücknehmen“

Vielmehr funktioniert oft die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern schlecht, die diese Papiere ausstellen müssen. In einem internen Bericht des Innenministeriums hieß es 2018 etwa, im Libanon seien „Antworten auf Anträge äußerst rar“. „Viele Länder haben überhaupt kein Interesse, die Menschen zurückzunehmen“, sagte Amtsberg.

Die Politikerin wunderte sich zudem darüber, dass der Innenminister Menschen vorwirft, dass sie bei Abschiebungen nicht angetroffen wurden. „Die Behörden teilen Abschiebetermine seit 2015 nicht mehr mit“, sagte Amtsberg. Dann könne man ihnen schlecht vorwerfen, dass sie nicht da seien. „Und wenn eine große Zahl an Ausreisepflichtigen, die immerhin aus Kriegs- und Krisengebieten kommen, krank ist, dann ist das schlimm für diese Menschen“, sagte Amtsberg. „Aber wir haben da, was Abschiebungen angeht, eine klare Rechtsprechung.“

Rechtswidrige Rückführungen

Neben gescheiterten Abschiebungen gibt es immer wieder Fälle, in denen die Rückführung rechtswidrig angesetzt und teils sogar durchgeführt wird. Erst am Freitag untersagte das Bundesverfassungsgericht eine für diesen Tag angesetzte Abschiebung eines Mannes aus Äthiopien. Dem Bayerischen Flüchtlingsrat zufolge hatten der zweifache Familienvater und seine Partnerin der Ausländerbehörde sowohl eine Vaterschaftsanerkennung als auch eine gemeinsame Sorgerechtserklärung vorgelegt; das Grundgesetz stellt die Familie unter besonderen staatlichen Schutz.

Die Ausländerbehörde sah das offenbar anders, ebenso das Verwaltungsgericht Ansbach, das einen Eilantrag des Mannes ablehnte. Erst die Verfassungsbeschwerde seiner Anwältin rettete den Äthiopier, der schon zum Flughafen gebracht worden war, vor der Abschiebung.

Die Zahl widerrechtlicher Abschiebungen ist im Jahr 2018 gestiegen. Mitte August hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen erklärt, in den ersten sieben Monaten des Jahres seien fünf Menschen betroffen gewesen. 2017 waren es zwei Fälle, in den beiden Jahren davor gar keiner. Die Betroffenen wurden nach Nigeria, Afghanistan, Kosovo, Marokko, Simbabwe, China und Tunesien abgeschoben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.