Schwarz-rote Pläne: Grenzenlose Chefbezüge

SPD und Union trauen sich nicht, Exzesse bei Managergehältern zu begrenzen. Es bleibt bei einem Formelkompromiss.

Er verdient auch nicht schlecht: Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen. Bild: dpa

BERLIN taz | 14,5 Millionen Euro: Die Empörung war riesig, als im Sommer das Jahresgehalt von VW-Chef Martin Winterkorn für 2012 bekannt wurde. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche kassierte „nur“ 8,3 Millionen. Konzernlenker von Beiersdorf, Infineon und ThyssenKrupp freuten sich über Zahlungen zwischen 1,1 Millionen und 1,8 Millionen.

Der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler konstatierte eine „krasse Verschärfung der Ungleichheit“, selbst Bayer-Aufsichtsratschef Werner Wenning sah gar die „gesellschaftliche Akzeptanz“ der Chefgehälter in Gefahr.

Union und SPD wollen diese Stimmung jetzt aufgreifen – und haben bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin keine Deckelung exzessiver Managergehälter, sondern nur einen Formelkompromiss produziert – er wird nun von Gewerkschaften ebenso angegriffen wie von Aktionärsvertretern und Industrie.

Konkret hat die Arbeitsgruppe Inneres und Justiz beschlossen, dass die Vorstandssaläre künftig nicht mehr von den Aufsichtsräten, sondern von der Hauptversammlung der Aktionäre beschlossen werden soll. Die SPD hat sich damit CDU und CSU gebeugt: Als Schwarz-Gelb diesen Vorschlag im Juli schon einmal einbrachte, legten sich die Sozialdemokraten im Bundesrat noch quer.

Idee aus der Schweiz

Leer ging die SPD dennoch nicht aus: Parallel zur Aktionärsversammlung sollen Aufsichtsräte künftig Höchstgrenzen für Managereinkommen festlegen dürfen. Ein „Multiplikator“ soll klarmachen, um wie viel Chefgehälter über Durchschnittseinkommen im Unternehmen liegen dürfen. Die Idee ist nicht neu: Am 24. November entscheidet die Schweiz per Volksabstimmung darüber, ob Chefs nicht mehr als das Zwölffache des geringsten Lohns in ihrem Unternehmen verdienen dürfen.

Ein Konzept aus dem Gewerkschaftslager. Zufrieden mit dem schwarz-roten Händel sind die Arbeitnehmervertreter aber nicht. „Wenn die Rendite stimmt, werden die Aktionärsvertreter wahrscheinlich jedes Gehalt durchwinken“, sagt Lasse Pütz von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Außerdem schränke der Deal die Mitbestimmung ein: Bei der Hauptversammlung zählt nicht der einzelne Kleinaktionär – Großinvestoren wie Investmentfonds haben entsprechend ihren Einlagen das vielfache Stimmrecht. Die Aufsichtsräte sind dagegen mit Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besetzt.

„Überflüssig“ sei die Stärkung der Hauptversammlung, findet auch ein Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Aufsichtsräte verfügen über ganz andere Einblicke, kennen ganz andere Zahlen als Aktionärsvertreter.“ Christine Bortenlänger, als Chefin des Deutschen Aktieninstituts Vertreterin der Anlegerseite, fürchtet juristische Auseinandersetzungen im Arbeitgeberlager: „Der Aufsichtsrat haftet für die Angemessenheit der Gehälter, die Aktionäre nicht.“

„Problematisch“ sei der Kompromiss der künftigen Großkoalitionäre, findet auch der Ökonom Rudolf Hickel. Christ- wie Sozialdemokraten fehle „der Mut“, die Vorstandsgehälter effektiv zu begrenzen: „Der Gesetzgeber muss festlegen, wie viel mehr Manager im Vergleich zu durchschnittlichen Arbeitnehmern verdienen dürfen“, fordert Attac-Berater Hickel: „Niemand sonst.“

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