Schöner leben in der Ukraine: Klitschko lässt einheizen

Eine Woche früher als üblich sind die Heizungen warm. Es ist Wahlkampf, der Kiewer Bürgermeister will wiedergewählt werden.

Der Kiewer BürgermeisterVitali Klitschko.

Will wieder zum Bürgermeister von Kiew gewählt werden: Vitali Klitschko Foto: dpa

KIEW taz | Valentina ist glücklich. Eigentlich hätte die Heizperiode am Donnerstag begonnen. „Sie haben aber schon am Montag zu heizen angefangen“, erzählt sie ihrer Nachbarin vom 7. Stock. „Ich habe am Montag noch zu meinem Mann gesagt, der seit Tagen erkältet ist: ‚Noch vier Tage, dann wird endlich wieder geheizt.‘ Und mein Mann fuhr mit der Hand über den Heizkörper und sagte mir: ‚Du hast unrecht. Sie haben heute schon die Heizungen angeworfen.‘“ Und ihre Nachbarin kann es ihr bestätigen. Auch bei ihr war es die ganze Nacht so richtig schön warm.

Weniger Glück hat ein anderer Nachbar. Der 80-jährige alleinstehende Rentner friert in seiner Wohnung. Irgendwie will das warme Wasser nicht in seine Heizkörper. Beschweren ist zwecklos. Im Haus selbst fühlt sich niemand zuständig beim Wohnungsamt heißt es, wenn er krank sei, müsse er seinen Arzt anrufen. Er sei sogar schon bei seiner Nachbarin im 9. Stock gewesen. Angeblich könne man dort die Heizung entlüften. Die Frau dort sei sehr kooperativ gewesen, habe auch entlüftet. Aber in seiner Wohnung sei es trotzdem noch sehr kalt.

Doch bis auf den Rentner sind alle im Haus zufrieden. Fast eine ganze Woche früher als sonst üblich habe die Stadtverwaltung mit dem Heizen begonnen.

Trotzdem glaubt Valentina nicht, dass die Stadtverwaltung auf einmal ihr Herz für Bürger entdeckt hat. Vielmehr stehen Wahlen ins Haus, Bürgermeisterwahlen in Kiew und allen anderen Gebieten in der Ukraine – mit Ausnahme des Donbass. Und da sei bei so manchen Stadtoberen sicherlich jemand auf die Idee gekommen, den Wählern eine kleine Freude zu machen. „Nach der Wahl kommt die Rechnung für die Heizung“, wirft ihre Freundin ein. „Und die wird so hoch sein wie noch nie.“

Kurzlebige Dankbarkeit

Die Dankbarkeit gegenüber der Kiewer Klitschko-Administration für die vorzeitig angeworfenen Heizungen dürfte kurzlebig sein – und am Wahltag, dem 25. Oktober, sogar schon wieder vergessen. Denn in Kiew ist ein Temperaturanstieg angesagt – und bei warmem Wetter sind Heizungen ohne Temperaturregler eher ein Ärgernis.

Wer zur Arbeit geht oder seine Wohnung für ein paar Tage verlässt, kann seine Heizung nicht einmal abschalten. Und so bezahlt man in Kiew, wie in allen anderen Städten der früheren Sowjetunion auch, auch bei warmem Wetter für die Heizung und sogar bei Abwesenheit.

Die ständig auf Hochtouren laufenden zentral gesteuerten Heizungen sind angesichts rasant steigender Preise eine ständige Quelle der Verärgerung. Ein Umstellen auf ein energiesparendes, kluges Heizsystem wäre nicht nur eine Erleichterung für die von den hohen Preisen gebeutelten Bürger. Sie würde die Ukraine auch mit einem Schlag von ihrer Abhängigkeit vom russischen Gas befreien.

Nach Berechnungen der ukrainischen Energieexpertin Irina Akimowa vom „Analytischen Zentrum für eine neue Sozial- und Wirtschaftspolitik“ beträgt das Energieeinsparpotenzial der Ukraine 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich. Das sei doppelt so viel, wie die Ukraine jährlich aus Russland importiere.

Für Akimowa heißt der Schlüssel zur Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme Energiesparen. Aber erst mal gilt: Es wird geheizt.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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