Schmutziger Krieg im Kongo: Mit Äxten und Macheten

Das schwerste Massaker an Zivilisten seit Jahren zeigt: Der Machtkampf im Militär im unruhigen Osten des Kongo ist voll entbrannt.

Auf welcher Seite stehen sie? Regierungssoldaten in Beni. Bild: reuters

BERLIN taz | Sollten die Zahlen stimmen, wäre es das größte Massaker in der Demokratischen Republik Kongo seit über drei Jahren. Bis zu 80 Menschen sollen am Donnerstagabend zu Tode gekommen sein, als Bewaffnete in Armeeuniformen die Dörfer Tepiomba und Vemba im Osten des Landes überfielen. Wie der Dachverband der Zivilgesellschaft der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu am Wochenende mitteilte, wurden die Dorfbewohner mit Stichwaffen und Äxten massakriert.

Im Dorf Vemba seien am Nachmittag 30 Menschen auf einem Fest mit Macheten ausgelöscht worden. Die Mörder seien Teil der Versammlung gewesen; „sie tranken mit den anderen und gaben sich als Soldaten der Armee aus, bevor sie später ihr Gesicht wechselten“, heißt es. Auch Bäuerinnen und Bauern, die von ihren Feldern in die Dörfer zurückkehrten, seien umgebracht worden.

Die Tatorte liegen in der derzeit unruhigsten Region Ostkongos: in den Hügeln um die Stadt Beni in Nord-Kivu, am Fuße der Rwenzori-Berge an der Grenze zu Uganda. Im Umland soll die ugandische Rebellenarmee ADF (Allied Democratic Forces) ihr Unwesen treiben – und nach Darstellung der kongolesischen Behörden hat sie sich neuerdings mit Teilen der Regierungsstreitkräfte vermischt.

Am vergangenen Montag hatte ein Militärgericht in Beni diese These offiziell bestätigt. Armee-Oberstleutnant Birocho, weitere Soldaten sowie ADF-Angehörige wurden wegen der Ermordung des Kommandeurs der Spezialkräfte der Armee im Ostkongo, Oberst Mamadou Ndala, zum Tode beziehungsweise zu langen Haftstrafen verurteilt. Angesichts einer beginnenden Großoffensive unter Ndalas Kommando gegen die ADF habe die Rebellengruppe Ndalas Rivalen im Militär bezahlt, um ihn am 2. Januar 2014 umzubringen, befanden die Richter.

Blutige Überfälle auf Zivilisten

Beim Prozess hatte ein Kronzeuge überdies ausgesagt, Oberstleutnant Birocho habe eine Truppe von 150 Soldaten zusammengestellt, die Massaker an der Zivilbevölkerung des Distrikts Beni begehe. Seit Beginn des Mordprozesses hatte es um Beni immer wieder blutige Überfälle auf Zivilisten gegeben, gegen die das Militär nicht einschritt; auch UN-Blauhelme blieben meist untätig.

Aus Sicht der kongolesischen Regierung steckt hinter der Gewalt der mächtigste Politiker der Volksgruppe der Nande, die in und um Beni lebt: Mbusa Nyamwisi, ein ehemaliger Rebellenführer der Region. Er führte zwischen 1999 und 2003 während der Kongokriege in Beni einen eigenen Ministaat mit eigener Armee, der den Handel der mächtigen Nande-Geschäftsleute in Ostkongo und Uganda schützte und von diesen finanziert wurde. Später wurde Nyamwisi Minister in Kongos Regierung, sogar Außenminister, aber bei den letzten Wahlen 2011 unterstützte er die Opposition und fiel in Ungnade.

Die Nande-Geschäftselite Ostkongos hat schon immer darauf geachtet, sowohl zu den in Nord-Kivus Hauptstadt Goma dominierenden Ruandern als auch zu Kongos Regierung in der fernen Hauptstadt Kinshasa Distanz zu halten. Jetzt, so die Darstellung der Regierung, schürt die Nande-Elite eine Rebellion: Oberstleutnant Birocho sei ein alter Freund Nyamwisis.

Nyamwisi selbst lebt im Exil und stellte das kürzlich in einem Interview umgekehrt dar: Es sei die Regierung, die mit der ADF gemeinsam das Nande-Gebiet destabilisiere.

Regierung gegen Nande-Geschäftselite

Was stimmt, lässt sich schwer sagen. Beide Darstellungen sind sich einig, dass die Armee gespalten ist – sie streiten sich nur darum, welcher Flügel gemeinsam mit der ADF Zivilisten umbringt.

In jedem Fall hat die Staatsmacht in Beni ein Problem, und seit dem Mordurteil gegen Birocho versucht sie, unter der Nande-Elite aufzuräumen. Vergangene Woche wurden zahlreiche Prominente in Beni verhaftet und vom Geheimdienst nach Kinshasa geflogen, darunter Unternehmerverbandspräsidentin Gertrude Vihumbira, Ehrenbürgermeister Jean de Dieu Paluku sowie ein alter Milizenführer aus Kriegszeiten, Fabien Kahindo.

Das jüngste Massaker könnte die Antwort darauf sein. Das würde heißen: Es herrscht Krieg zwischen Kongos Regierung und den Nande. Solange die Tutsi-geführte Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) Ostkongo unsicher machte, standen die Nande auf Kinshasas Seite. Wenn sie abtrünnig werden, verliert die Regierung Kabila den Osten.

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