Schlägereien unter Flüchtlingen: Gewalt an der Essenstheke

In Thüringen nimmt die Polizei 15 Flüchtlinge nach Randale in einer Unterkunft fest. Ausgangspunkt für Gewalt sind kleine Alltagsstreitigkeiten.

Reste einer Randale: Zerstörtes Büro in nach den Ausschreitungen in der Flüchtlingsunterkunft Suhl Foto: dpa

BERLIN taz | Die Polizei kam am frühen Dienstagmorgen: In voller Schutzausrüstung rückten die Beamten in das Flüchtlingsheim im Thüringer Suhl ein. Parallel betrat die Polizei zehn weitere Unterkünfte im Land und vollstreckte 15 Haftbefehle.

Sechs Wochen zuvor war es in der seit Langem überbelegten Suhler Unterkunft zu heftiger Randale gekommen, nachdem ein Flüchtling Seiten aus einem Koran gerissen und in eine Toilette geworfen hatte. 17 Personen wurden verletzt, darunter sechs Polizisten.

Die Verhafteten seien „Rädelsführer“, 17 bis 24 Jahre alt, teilte das Thüringer Innenministerium mit. Ihnen wird Sachbeschädigung, Körperverletzung oder versuchter Totschlag vorgeworfen. Sie waren inzwischen in verschiedene Unterkünfte verlegt worden.

Der Vorfall in Suhl war nur einer von mehreren. Erst am vergangenen Wochenende war es in einer Notunterkunft in den Leipziger Messehallen zu einer Massenschlägerei gekommen. Auch dort lebten hunderte Flüchtlinge eng an eng in Feldbetten. In Calden bei Kassel prügelten sich 300 Albaner und 70 Pakistaner in einer Zeltstadt, in der bis zu 1.500 Aslysuchende untergebracht sind.

Politik lehnt getrennte Unterbringung ab

Nun ist die Debatte wieder aufgeflammt, Flüchtlinge nach Religionen und Ethnien getrennt unterzubringen. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußerte den Vorschlag bereits im August nach den Suhler Ausschreitungen. Das Land versucht nun Ethnien und religiöse Gruppen zu trennen, die miteinander in Konflikte oder Kriege verwickelt sind.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, Alarmismus grundsätzlich nicht abgeneigt, warnte vor „knallharten kriminellen Strukturen“ in den Heimen. „Kämpfe um Vorherrschaft“ würden dort mit „Messern und selbstgebastelten Waffen“ ausgefochten, vor allem Christen unter den Flüchtlingen bedrängt.

Bund und Länder lehnen eine getrennte Unterbringung indes ab. Der Vorschlag sei „bei dem derzeitigen Ansturm kaum praktikabel“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warnte, „Parallelgesellschaften schon bei der Flüchtlingsunterbringung zu schaffen, wäre das völlig falsche Signal“. Das Problem seien die „überfüllten Unterkünfte, in denen die Menschen viel zu lange ausharren müssen“. Selbst der CSU-Innenexperte Michael Frieser sagte, ein „künstliches Auseinanderhalten“ der Flüchtlinge sei „keine Lösung“.

Monatelange Perspektivlosigkeit

Tatsächlich sind es oft kleine Alltagsstreitigkeiten, die eskalieren. In Calden war es ein Streit bei der Essensausgabe. Auch bei Prügeleien in Heidenau oder Ellwangen ging es anfangs um Vordrängeln in einer Essensschlange. In Trier war ein Fußballspiel Ausgangspunkt. Helfer vor Ort verweisen auch auf die mangelnde Privatsphäre, auf Streit um Duschplätze, das lange Warten und die Ungewissheit der Flüchtlinge über ihre Zukunft.

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor plädiert für Streitschlichter in den Unterkünften. CSU-Mann Frieser schlägt vor, muslimische Verbände zur Mediation einzubinden. Die Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke fordert eine schnellere dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge.

Derweil geht die Gewalt gegen Asylheime von außen weiter: In Oberteuringen am Bodensee (Baden-Württemberg) zerstörte in der Nacht zu Dienstag ein Feuer die Fassade einer geplanten Unterkunft, eine ehemalige Lagerhalle.

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