SPD veröffentlicht Wahlprogramm: Etwas grüner, etwas linker
Die SPD setzt in ihrem Programm für die Bundestagswahl aufs Tempolimit, ein klimaneutrales Deutschland bis 2050 – und den Abschied von Hartz IV.
Respekt – um dieses Wort soll der Wahlkampf von Olaf Scholz kreisen. Ob es der Kassierer im Supermarkt ist, die Busfahrerin, die Pflegekraft, der Erzieher: Sie alle sollen sich bei der SPD aufgehoben fühlen. „Respekt ist der Dreh- und Angelpunkt des Regierungsprogramms“, sagte Parteichefin Saskia Esken am Montag, als sie das Programm für die Bundestagswahl vorstellte.
Auf 64 Seiten hat die SPD ihre Ideen für das Land festgezurrt. Im Vergleich zu den letzten Programmen ist es knapp gehalten, früher neigten die Sozialdemokraten zu ausschweifenden Welterklärungen. Es sei ein „zuversichtliches Programm“, das einen Plan für die 20er Jahre beschreibe, ergänzte Kanzlerkandidat Scholz. Die SPD sei mit der geklärten Kandidatur und dem Programm „die erste Partei auf dem Platz“ von denen, die um die Führung kämpften.
Ein Grund für die frühe Präsentation ist die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Dort will Malu Dreyer Mitte März erneut Ministerpräsidentin werden. Der Bundesvorstand will ihr Rückenwind aus Berlin verschaffen – und hofft auf ihre Wiederwahl.
Das Wahlprogramm setzt erstaunlich viele grüne Akzente. Die SPD bezeichnet den Kampf gegen den Klimawandel – neben Digitalisierung, Gesundheit und Mobilität – als eines der vier wichtigsten Zukunftsthemen. Das Ziel sei ein Deutschland, das im Jahr 2050 klimaneutral sei, heißt es im Programm. Man brauche mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze, Wasserstoffleitungen und Ladesäulen für Elektroautos.
Alle geeigneten Dächer von öffentlichen Gebäuden und gewerblichen Neubauten sollten eine Solaranlage bekommen. Die SPD will die Verkehrswende voranbringen und bis 2030 „das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufbauen“, so das Programm. Auch ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen fehlt nicht.
Allerdings bleibt die SPD an manchen Stellen unkonkret – und weniger ambitioniert als die Grünen. Der CO2-Preis wird lobend erwähnt, aber es wird keine mit Zahlen unterlegte Steigerung gefordert. Die SPD betont, dass die Zukunft den elektrischen Antrieben gehöre und dass 2030 mindestens 15 Millionen Pkws in Deutschland voll elektrisch fahren sollten. Doch ein fixes Ausstiegsdatum für die Produktion von Verbrennungsmotoren, was die Grünen wollen, sucht man vergeblich.
Grünen-Chef Robert Habeck nannte die klimaschutzpolitischen Punkte der SPD prompt „erstaunlich verzagt und ambitionslos“.
Ein Schwerpunkt des Programms ist der Ausbau des Sozialstaates. Hier rückt die SPD erkennbar nach links, obwohl mit Olaf Scholz jemand im Zentrum steht, der seinerzeit die Agenda 2010 mit durchgesetzt hat. Hartz IV will die SPD zum Beispiel durch ein neues Bürgergeld ersetzen. Jenes stehe „für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats“, heißt es im Programm.
Die wichtigsten Unterschiede zur aktuellen Grundsicherung: Das Bürgergeld würde unbürokratischer ausgezahlt, die Regelsätze würden steigen. Das Sanktionsregime würde gemildert, aber nicht abgeschafft. In den ersten zwei Jahren sollen das Vermögen und die Wohnungsgröße von Arbeitslosen nicht geprüft, also nicht angetastet werden.
Diese Erleichterungen gelten teilweise schon wegen Corona. Die SPD will hier aus den Erfahrungen in der Pandemie lernen.
Auch in der Finanz- und Steuerpolitik setzt die SPD linke Duftmarken. Sie wirbt für eine Einkommensteuerreform zugunsten von mittleren Einkommen, für eine fairere Erbschaftsteuer und für eine Vermögensteuer für Superreiche.
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