SPD in der Krise: Genossen, was nun?

Der Ex-SPD-Fraktionschef Oppermann spricht bei Markus Lanz über Jamaika, Merkel und Spahn. Ehemalige Parteigrößen teilen indes hart aus.

Nahles, Schulz, Oppermann nebeneinander

Schulz bewahrt die Fassung, obwohl einige seinen Rücktritt fordern; Nahles steht hinter him Foto: dpa

BERLIN/DÜSSELDORF/BAD HARZBURG dpa/afp | Der gerade abgelöste Fraktionschef Thomas Oppermann hält ein Bündnis mit der Union zumindest theoretisch für denkbar. In der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ bekräftigte Oppermann am Donnerstag zwar, dass die SPD in die Opposition gehen wolle. Allerdings sagte er auf die Frage, ob die Sozialdemokraten im Fall eines Rückzugs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer großen Koalition bereit wäre: „Das wäre in der Tat eine neue Situation.“

Die SPD hatte am Sonntag fast zeitgleich mit der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl angekündigt, in die Opposition zu gehen. Die Sozialdemokraten fuhren mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis ein.

Oppermann geht davon aus, dass die Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen zustandekommen wird. „Die Grünen sind zu jeder Schandtat bereit“, sagte er. Nur die CSU werde Probleme machen, weil sie wegen des großen Stimmenverlusts bei der Wahl „waidwund“ geschossen sei. Auf die Frage, ob die SPD bei einem Scheitern von Jamaika und drohenden Neuwahlen noch umdenke, sagte Oppermann: Für den Fall, dass es einen „Staatsnotstand“ gebe, müsse die SPD neu überlegen. Aber einen Staatsnotstand sehe er noch nicht.

Er bekräftigte: „Unser Platz ist in der Opposition.“ Der Wähler habe die große Koalition „brutal“ abgestraft. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass der öfter gehandelte CDU-Hoffnungsträger und Finanz-Staatssekretär Jens Spahn an die Stelle von Merkel treten könnte. „Der Herr Spahn hat nicht das Zeug zum Bundeskanzler.“

Kritik ehemaliger Parteigrößen nervt einige

Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig verbat sich derweil Kritik ehemaliger Parteigrößen an der Neuaufstellung der Sozialdemokraten. „Es kann nicht sein, dass einzelne Sozialdemokraten mit Beiträgen von außen jetzt schon wieder Zensuren verteilen“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin der Rheinischen Post. „Alle in der SPD sollten den Verantwortlichen in der Parteiführung und neuen Fraktionsführung zunächst die Chance geben, die Partei nach einer schweren Wahlniederlage neu aufzustellen.“

Ähnlich äußerte sich die Bundesvorsitzende der Jusos, Johanna Uekermann. Sie kritisiert in der Heilbronner Stimme vom Freitag, „das permanente Reingrätschen von Ex-Politikern a la Schröder und von Dohnanyi“. Die baden-württembergische SPD-Landeschefin Leni Breymaier sagte der Heilbronner Stimme: „Es ist bedauerlich, wenn diese Männer ihren Bedeutungsverlust nur dadurch kompensieren können, indem sie der Partei vor und nach der Wahl ungebetene Ratschläge erteilen. Sie nerven einfach.“ Und der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs (SPD), sagte dem Portal faz.net: „Wie viele andere Parteien haben auch wir ein Problem mit alten Männern, die eine leichte Profilneurose haben.“

Zuvor hatten sich gleich drei Altvordere der SPD kritisch über Parteichef Martin Schulz und die Führungsmannschaft geäußert: Altkanzler Gerhard Schröder, 73, befand, man habe sich zu früh auf die Opposition festgelegt. Schulz hatte noch am Wahlabend eine Neuauflage der großen Koalition ausgeschlossen. Der frühere Parteichef Franz Müntefering, 77, hätte den Partei- und den Fraktionsvorsitz lieber in einer Hand gesehen – und zwar in der von Martin Schulz. Die Älteren wissen, dass Müntefering damals von Nahles aus dem Amt des Parteichefs vertrieben wurde und noch eine Rechnung offen hat.

Der frühere Hamburger Bürgermeister und Bundesminister Klaus von Dohnanyi, 89, forderte Schulz zum Rücktritt auf. Er sprach Parteichef Martin Schulz am Mittwochabend in der ARD-Sendung „maischberger“ die Kompetenz für das Amt ab und forderte ihn zum Rücktritt auf. Schulz sei „von Anfang an die falsche Wahl“ gewesen, habe „keine Ahnung“ und werde „die Probleme nicht lösen können“, sagte der 89-Jährige.

Unstimmigkeiten bei Wahl von Andrea Nahles

Die Personalie Nahles als Fraktionschefin konnte nur mit mühsam unter der Decke gehaltenem Streit über die Bühne gehen. Nach massiver Kritik an ihrer Äußerung, der künftigen Bundesregierung „in die Fresse“ geben zu wollen, betrieb SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles Schadensbegrenzung. „Das ärgert niemanden mehr, als mich selbst“, sagte sie der Bild. Eigentlich sei der Spruch eine Witzelei am Rande ihrer letzten Kabinettssitzung gewesen. „Es wurde darüber bei den Unionskollegen herzlich gelacht.“ Als sie den Spruch danach vor Kameras wiederholt habe, sei dies jedoch „anders rübergekommen“, da man die Anekdote kennen müsse, um den Witz zu verstehen.

Nahles sagte Bild auf die Frage, ob Schulz auch nach dem Parteitag im Dezember SPD-Chef bleiben könne: „Ja sicher. Wir haben die Bundestagswahl gemeinsam verloren. Martin Schulz hat einen guten Job gemacht. Wir werden uns jetzt unterhaken- und dann los…“ Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der Mitte Oktober selbst eine Landtagswahl zu überstehen hat, sagte dem Handelsblatt, Schulz werde auch über den Parteitag hinaus an der Spitze der SPD stehen. In Berlin werde unterschätzt, dass es eine hohe emotionale Verbundenheit vieler Mitglieder mit Schulz gebe. Schulz wird Weil im soeben eröffneten Wahlkamp unterstützen. Am 4. Oktober kommt Schulz nach Cuxhaven, und zwei Tage vor der Landtagswahl am 15. Oktober wird er noch einmal in Hannover sprechen.

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