Rote Liste Bundesamt für Naturschutz: Das leise Sterben der Pflanzen

Ein Drittel aller rund 8.200 Pflanzenarten in Deutschland ist gefährdet. Ursache sind vor allem die hohen Nährstoffeinträge in die Umwelt.

Eine bunte Wiese voller Blumen

Die Lage hat sich für mehr Arten verschlechtert als verbessert Foto: dpa

Sie summen nicht, sie zwitschern nicht, einige kann man nicht mal mit bloßem Auge sehen. Pflanzen fällt es schwer, Aufmerksamkeit zu erregen, sie verschwinden leise. Ein Drittel aller rund 8.200 Pflanzen­arten in Deutschland sind in ihrem Bestand gefährdet. Das geht aus der Roten Liste Pflanzen hervor, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.

Demnach sind 27,5 Prozent aller Farn- und Blütenpflanzen gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht – und ein Viertel aller Moose. „Sorgenkinder“ seien vor allem Ackerwildkräuter wie die gelbe Arnika oder das rot blühende Sommer-Adonisröschen, sagt BfN-Präsidentin Beate Jessel.

Zwar hätten sich die Bestände einiger Pflanzen stabilisiert, wie die lila Kornrade oder der blaue Lothringer Lein. Sie hätten von gezielten Naturschutzprojekten – etwa Ackerblühstreifen – profitiert, so Jessel.

Nährstoffüberschüsse sind größtes Problem

Besonders problematisch ist die Lage der Zieralgen. Über die Hälfte aller 968 Arten und Varietäten sind gefährdet, für 351 von ihnen ist die Datenlage zu schlecht für Aussagen über ihr Wohlergehen. Zieralgen sind winzige Einzeller, die vor allem im Süßwasser leben und ihren Namen ihrer symmetrischen Form verdanken.

„Wir können sie nicht sehen, aber wir profitieren von ihren Leistungen“, sagt Wolf-Henning Kusber, Algenkundler vom Botanischen Garten Berlin und einer der Autoren der Roten Liste. „Alge-Sein ist ein Beruf“, sagt Kusber, „es ist die Entscheidung, als Pflanze zu leben“. Stammesgeschichtlich unterschieden sich Algengruppen sehr, weil sie im Laufe ihrer 3 Milliarden Jahre langen Evolution mehrfach Bakterien oder andere Algen in sich aufgenommen hätten.

Wozu man Algen brauche? „Sie produzieren Sauerstoff, nehmen Kohlendioxid und Nährstoffe auf“, so Kusber, „das funktioniert umso besser, je mehr verschiedene Arten zusammenarbeiten.“ In einem Löffel Wasser aus dem Stechlinsee fänden sich 200 bis 300 Algen-Arten. Ein klarer und gesunder See zeichne sich durch diese Artenvielfalt aus.

Naturschutzprojekte als Ultima Ratio

Zieralgen leben gerne in saurer Umgebung, etwa in Mooren. Sie sind in Deutschland ein besonders gefährdeter Lebensraum. Nährstoffarme Biotope wie Heidelandschaften, Gewässer und eben Moore kommen nicht mit den großen Stickstoffmengen klar, die sie aufnehmen müssen. Größter Emittent sei die Landwirtschaft, sagte BfN-Präsidentin Jessel. Die immer noch großen Nährstoffüberschüsse seien für viele gefährdete Pflanzen das größte Problem.

Im Vergleich mit der letzten Roten Liste zeige sich, dass sich die Lage bei mehr Arten verschlechtert als verbessert habe, so Jessel. „Naturschutzprojekte sind zwar effektiv, können aber immer nur Ultima Ratio sein“, sagt sie. Langfristig nachhaltig sei Naturschutz dann, wenn auch andere Sektoren ihre Bemühungen verstärkten.

Auf die Rote Liste gehören laut Jessel auch die Tausenden „ArtenkennerInnen“, die an der Bestandsaufnahme mitgearbeitet hätten und ohne die diese nicht möglich sei – denn ihre Zahl nehme ebenfalls ab.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.