Rot-grüner Sieg in Kärnten: Fürs Erste geheilt

Kärnten war Hoheitsgebiet von Jörg Haider & Co. Nun gibt es einen Wechsel. Die Rechtsradikalen haben hart für dieses Unvorstellbare gekämpft.

Kärnten verliert seinen Tunnelblick. Für Erste. Bild: imago/Meike Engels

Als sich am Sonntag so gegen 18 Uhr das Endergebnis der Kärntner Landtagswahlen abzeichnete, wollten die Österreicherinnen und Österreicher kaum ihren Augen und Ohren trauen. Jörg Haiders Erben, die „Freiheitlichen in Kärnten“, kurz FPK, sind im rechtspopulistischen Kernland nicht nur krachend abgewählt worden; knapp 28 Prozentpunkte haben sie verloren, sodass sie nunmehr gerade noch bei 17 Prozent rangieren. Mehr noch: Rot-Grün landet nur knapp unterhalb der 50-Prozent-Marke und könnte eine Mandatsmehrheit erhalten.

Rot-Grün! In! Kärnten!, das war noch vor wenigen Monaten so in etwa das politisch Unvorstellbarste überhaupt und auch bis vorgestern ziemlich unwahrscheinlich.

Wie auch immer die Mandatsverteilung am Ende sein wird: Ein linker, intellektueller sozialdemokratischer Philosoph namens Peter Kaiser wird nächster Kärntner Landeshauptmann und gemeinsam mit den Grünen das Land regieren. Sollte es mit der rot-grünen Mandatsmehrheit doch nicht reichen, wird die Sache sogar noch interessanter. Denn es ist jetzt schon klar, dass Kärntens ins Seriöse gewendete konservative „Volkspartei“ dann mit in die Regierung einzieht. Erstmals werden dann Konservative als dritter Partner in eine rot-grüne Regierung eintreten.

Freilich: Ganz so überraschend ist das Ergebnis nicht. Denn was sich der 2008 verstorbene Haider und seine Nachfolger geleistet haben, kam in den vergangenen Jahren Stück für Stück ans Licht. Sie haben das Land ausgeplündert, den Haushalt und staatsnahe Betriebe wie ihr Privateigentum behandelt, sie haben versucht, Staatsbürgerschaften an russische Millionäre zu verkaufen. Noch Haider hat in einer kriminellen Operation die de facto bankrotte Landesbank Hypo Alpe Adria an die bayrische Hypovereinsbank verscherbelt. Kaum einer der Spitzenleute der Freiheitlichen, der nicht verurteilt oder Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist.

Reine Unwissenheit

Der bisherige Landeshauptmann Gerhard Dörfler hat juristisch nur deshalb eine weiße Weste, weil Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch mit dem Argument eingestellt wurden, er sei wegen „Unwissenheit nicht schuldfähig“. Soll heißen: Weil er die Gesetze leider nicht verstehen konnte, könne er nicht bestraft werden. Der einzige Landeshauptmann mit einem amtlichen Deppenzertifikat. Wurde Haider bewundert und gefürchtet, so haben über die Dolme, die in seine Fußstapfen treten wollten, am Ende alle einfach nur mehr gelacht.

Die letzte Wahl hatten Haiders Leute kurz nach dem Tod des Oberpopulisten noch mit der Mitleidsmasche triumphal gewonnen – in einem gewissen Sinne war schon damals ein Toter gewählt worden. Diesmal wurde der Tote eben abgewählt. Für Haider war Kärnten immer sein politisches Basislager: Hier wurde er 1989 erstmals zum Landeshauptmann gewählt, ein Amt, das er 1999 zurückeroberte und bis zu seinem Tod bekleidete.

Aber Haider, das war nicht nur rechte Politik, sondern auch ein politischer Stil: kumpelhafte Volksnähe, Großevents, fröhliches Geldverteilen, lustiges Spaßvögeltum, kein Scheren um Regeln und vor allem Politik als Entertainment. Wenn jetzt gerade ein Peter Kaiser triumphiert, dem man nachsagt, er sei so nachdenklich und seriös, dass er geradezu fad ist, dann muss man präzisieren: Er wurde wohl nicht gewählt, obwohl er fad ist, sondern weil er fad ist. Von den lustigen Schlitzohren sind die Kärntner fürs Erste geheilt.

Jetzt scherzen Comedians schon: Das ist die schwerste Niederlage des „freiheitlichen“ Lagers seit Mai 1945. Hat damit auch die große Schwesterpartei der Kärntner Freiheitlichen, die rechtsradikale FPÖ, ein Problem? Man sollte es nicht überschätzen. Die Abrechnung mit der FPK war doch eine sehr lokale Angelegenheit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.