Ross Thomas' „Fette Ernte“ übersetzt: Auf den Weizen wetten

Ross Thomas' Roman „Fette Ernte“ ist ein unnachahmlich unterkühlter Krimi über Lebensmittelspekulation. Nun erscheint er ungekürzt auf Deutsch.

Mörderische Ernte: Weizenfeld. Bild: dpa

Heutzutage ist Krimiautor ein durchaus angesehener Beruf und der Kriminalroman ein ehrenwertes Genre unter anderen. Das war nicht immer und überall so. Noch vor ein paar Jahrzehnten war die gefühlte Nähe der Spannungsliteratur zum Groschenroman noch deutlich größer; so groß, dass man in den Verlagen den Krimilesern oft keine Aufmerksamkeitsspanne zutraute, die länger als 128 Seiten reichen musste. Auch die Romane des Amerikaners Ross Thomas erfuhren deshalb das erbärmliche Schicksal, nur in radikal gekürzter Gestalt in deutscher Übersetzung veröffentlicht zu werden.

Im Falle seines Romans „Fette Ernte“, als „Money Harvest“ 1975 im Original erschienen, betrafen die Kürzungen gar über die Hälfte des Manuskripts. Das erfährt man aus dem Nachwort von Jochen Stremmel, der die Neuübersetzung – falls das das richtige Wort ist – dieses Titels für den Berliner Alexander Verlag besorgt, in dem seit ein paar Jahren die Ross-Thomas-Romane erstmals in vollständiger Textgestalt und auch visuell in einem gestalterisch gelungenen Format erscheinen.

„Fette Ernte“ ist ein Politthriller, geschrieben im Geiste und im Gestus der klassischen amerikanischen Noir fiction. Er beginnt mit einem kleinen inhaltlichen Twist. Ein alter Mann wird auf der Schwelle seines Hauses erschossen, der ehemalige Anwalt und bekannte Washingtoner Strippenzieher Crawdad Gilmore. Doch es geht gar nicht um dieses Verbrechen. Dieser Mord ist reiner, finsterer Zufall.

Da der alte Mann nun tot ist, bleibt seinem ehemaligen Kompagnon, dem Starjuristen und Politberater Ancel Easter, nichts anderes übrig, als den wenigen Hinweisen nachzugehen, von denen der Verstorbene, der glaubte, einer großen Verschwörung auf die Spur gekommen zu sein, ihm noch hatte erzählen können. Ancel Easter engagiert den großgewachsenen Jake Pope, der lange Jahre als Geheimermittler im Dienste der Regierung gestanden hatte, um aufzudecken, worin die vermutete Verschwörung besteht. Ein ganz bestimmtes Datum scheint eine Rolle zu spielen, der 11. Juli, an dem aber, sosehr die Ermittler auch recherchieren, rein gar nichts von Interesse passieren soll, außer dass die Regierung die Höhe der jährlichen Weizenernte bekannt gibt.

Skrupellose Gangster, ehrbare Beamte

Ross Thomas: „Fette Ernte“. Aus dem amerikanischen Englisch von Jochen Stremmel. Alexander Verlag, Berlin 2014, 341 S., 14,90 Euro

Sowenig aufregend das klingt, wird es tatsächlich dieses Ereignis sein, das von so großer Bedeutung ist, dass deswegen zahlreiche mehr oder weniger üble Charaktere im Laufe des Romans ihr Leben lassen müssen. Schon in den siebziger Jahren konnte man mit Spekulationen auf Lebensmittelpreise offenbar schon richtig groß absahnen, und der stattliche Jake stößt bei seinen Ermittlungen nicht nur auf seine Traumfrau (blond, langbeinig und endlich groß genug für ihn), sondern auch auf ein Geflecht von finsteren ökonomischen Interessen, in das skrupellose Gangster ebenso verwickelt sind wie scheinbar ehrbare Beamte.

Der Roman ist sehr figurenreich, und der Autor widmet auch den Nebenfiguren eher überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit. Leichte Kürzungen hätten da mancherorts gar nicht mal geschadet. Unbedingt aber ist es sehr verdienstvoll, der deutschsprachigen Leserschaft Thomas’ auf unnachahmlich unterkühlte Art pointierte Dialoge endlich unbeschädigt nahezubringen. Die sind stilistisch und gestisch oft so formvollendet, dass man sich schon deshalb auf einer kleinen Zeitreise wähnt. Das gibt’s in dieser Form heute jedenfalls nicht mehr. Ross Thomas mag ein später Epigone des echten Noir gewesen sein. Aber den Stil, den hatte er drauf.

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